Die Augen von riesigen Seeskorpionen gibt es auch heute noch

Die ausgestorbene Seeskorpionart Jaekelopterus rhenaniae hatte Augen vergleichbar mit denen moderner Pfeilschwanzkrebse. Der zweieinhalb Meter lange Räuber konnte Kontraste und Konturen besonders gut erkennen.
Rekonstruktionszeichnung eines Seeskorpions Jaekelopterus rhenaniae (Zeichnung: S. Powell/Bristol, mit freundlicher Genehmigung). Körperlänge bis zu 2,50 Meter.
Rekonstruktionszeichnung eines Seeskorpions Jaekelopterus rhenaniae (Zeichnung: S. Powell/Bristol, mit freundlicher Genehmigung). Körperlänge bis zu 2,50 Meter.

Die Augen des ausgestorbenen Seeskorpions Jaekelopterus rhenaniae weisen den gleichen Aufbau wie die Augen moderner Pfeilschwanzkrebse (Limulidae) auf, die zu seinen Verwandten zählen. Die Facettenaugen des riesigen Raubtieres wiesen Linsenzylinder und konzentrisch gelagerte Sinneszellen auf, die den Ausläufer einer hochspezialisierten Zelle umschließen. Dies ergaben elektronenmikroskopische Untersuchungen durch Privatdozentin Dr. Brigitte Schoenemann, Vertretungsprofessorin für Zoologie am Institut für Biologiedidaktik der Universität zu Köln, die in Zusammenarbeit mit Markus Poschmann von der Generaldirektion Kulturelles Erbe RLP, Direktion Landesarchäologie/Erdgeschichte und Professor Dr. Euan N.K. Clarkson von der Universität Edinburgh durchgeführt wurden. Die Ergebnisse der Studie „Insights into the 400 million-year-old eyes of giant sea scorpions (Eurypterida) suggest the structure of Palaeozoic compound eyes“ sind nun in Scientific Reports – Nature veröffentlicht worden.

Die Augen moderner Pfeilschwanzkrebse bestehen aus Facetten, sogenannten Ommatidien. Anders als z.B. bei Insekten, die Facettenaugen mit einer einfachen Linse besitzen, sind die Ommatidien der Pfeilschwanzkrebse mit einem Linsenzylinder ausgerüstet, der das einfallende Licht kontinuierlich bricht und zu den Sinneszellen weiterleitet.

Diese rosettenartig angeordneten Sinneszellen gruppieren sich um einen zentralen Lichtleiter, das Rhabdom, der Teil der Sinneszellen ist, die einfallenden Lichtsignale in Nervensignale umformt und an das zentrale Nervensystem weiterleitet. Im Zentrum dieses Lichtleiters befindet sich bei den Pfeilschwanzkrebsen der Ausläufer einer hochspezialisierten Zelle, die die Signale benachbarter Facetten so verschalten kann, dass Konturen schärfer wahrgenommen werden können. Dies kann vor allem unter diffusen Sichtverhältnissen im Ozean sehr nützlich sein. Im Querschnitt des Ommatidium ist dieser Ausläufer als heller Punkt im Zentrum des Rhabdoms zu erkennen. Das Team untersuchte bei fossilen Exemplaren von Jaekelopterus rhenaniae mit Hilfe von Elektronenmikroskopen, ob sich die Facettenaugen des Riesenskorpions und die der verwandten Pfeilschwanzkrebse ähneln, oder ob sie vielleicht eher wie Insekten- oder Krebstieraugen aufgebaut sind. Es gelang ihm, die gleichen Strukturen wie beim Pfeilschwanzkrebs zu finden. Linsenzylinder, Sinneszellen und sogar die hochspezialisierten Zellen ließen sich klar ausmachen.

„Dieser helle Punkt gehört zu einer besonderen Zelle, die heutzutage nur bei Pfeilschwanzkrebsen vorkommt, offensichtlich aber schon bei den Eurypteriden vorhanden war“, erklärt Schoenemann. „In ihrem ganzen Aufbau sind die Systeme identisch. Daraus folgt, dass es sehr wahrscheinlich schon vor 400 Millionen Jahren eine Kontrastverstärkung gegeben hat“, so Schoenemann. Jaekelopterus jagte wahrscheinlich nach den zeitgleichen „Panzerfischen“ und hatte mit seinem Sehapparat Vorteile im trüben Meerwasser.

Seeskorpione, die das erste Mal vor 470 Millionen Jahren nachweisbar sind, starben vor ungefähr 250 Millionen Jahren, am Ende des Perm-Zeitalters, zusammen mit etwa 95 Prozent aller Meereslebewesen aus. Manche Exemplare gehörten zu den großen Raubtieren der Meere, wie z.B. der untersuchte Jaekelopterus rhenaniae. Er erreichte eine Länge von 2,50 Metern und gehörte zu den Eurypteriden, ausgestorbenen Verwandten der Pfeilschwanzkrebse. Eurypteriden sind Gliederfüßer (Arthropoden), die zum Unterstamm der Chelicerata gehören und damit wiederum Verwandte von Spinnen und Skorpionen sind.

Bei den Arthropoden gibt es zwei große Gruppen: die Mandibulata (u.a. Krebstiere, Insekten, Trilobiten) und die Chelicerata (spinnenartige Tiere, wie z.B. Seeskorpione). Schoenemann konnte bereits in den letzten Jahren den Aufbau der Augen von verschiedenen Trilobitenarten klären und entscheidende Beiträge zur Erforschung der Evolution des Facettenauges leisten. „Bis vor kurzem dachte man noch, dass weiches Gewebe nicht fossil wird und hat diese Körperteile nicht untersucht.“

Die neuen Erkenntnisse zum Auge des Seeskorpions sind wichtig für die Erforschung der Evolution des Facettenauges nicht nur bei Spinnenartigen, sondern auch bei der Stellung von Seeskorpionen im Stammbaum dieser Tiere und für den Vergleich mit den Augen der verwandten Gruppe der Mandibulata.

Zur Publikation

Inhaltlicher Kontakt:

PD Dr. Brigitte Schoenemann
Tel. 0221 470-7732
b.schoenemann(at)uni-koeln.de

Markus Poschmann
Tel. 0261 6675-3032
markus.poschmann(at)gdke.rlp.de

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