Geschichte der Landesarchäologie Rheinland-Pfalz
„Das Land Rheinland-Pfalz umfaßt die Bezirke Koblenz, Montabaur, Rheinhessen und Trier und die Pfalz.“ Mit diesen einfachen Worten wird 1947 die räumliche Ausdehnung des neu entstandenen Bundeslandes Rheinland-Pfalz in seiner Landesverfassung festgelegt. Die Bezirke Koblenz und Trier sind Teile der ehemaligen preußischen Rheinprovinz, Montabaur gehört zur preußischen Provinz Hessen-Nassau, Rheinhessen zum ehemaligen Großherzogtum und späteren Volksstaat Hessen, die Pfalz ist bayerisch. Alle politischen und verwaltungstechnischen Entscheidungen für diese Gebiete werden bis dahin in Berlin, Düsseldorf, Darmstadt, Kassel oder München getroffen, keine dieser Städte gehört jedoch zum neuen Rheinland-Pfalz.
Ab 1945 sind Städte und Ortschaften vom Wiederaufbau geprägt. Die Schaffung von Wohnraum, der Aufbau der Wirtschaft und Infrastruktur, die Forcierung der Rohstoffgewinnung (z.B. Bims, Kies und Sand) sowie das Wachstum im Deutschen Wirtschaftswunder haben im gesellschaftlichen Bewusstsein der Öffentlichkeit absolute Priorität. Angesichts der großen Chance und Herausforderung dieser Zeit sind die archäologischen Dienststellen personell jedoch vollkommen unterbesetzt. Nur durch die gezielte Bildung von Schwerpunkten können die allerwichtigsten archäologischen Arbeiten effektiv durchgeführt werden, alles andere geht verloren oder wird später von Privatpersonen, welche die Funde geborgen haben, der Landesarchäologie zur Verfügung gestellt.
1970 werden die Dienststellen dann in "Staatliches Amt für Vor- und Frühgeschichte" umbenannt. Es werden die Grundlagen für eine archäologische Dokumentation zur Aufbereitung der Quellen und der Funktion des Amtes als "Träger öffentlicher Belange" gelegt, die Inventarisierung sowie die dauerhafte Lagerung des archäologischen Fundgutes wird neu geordnet, da diese an sich museale Aufgabe nach der Trennung vom Museum der Bodendenkmalpflege zufällt.
Seit Mitte der siebziger Jahre mehren sich in den Rechenschaftsberichten die Hinweise und Klagen auf die sich immer mehr öffnende Kluft zwischen Personalausstattung und der wachsenden Aufgabenfülle im Gelände, bzw. der restauratorischen und wissenschaftlichen Auswertung. Der Einsatz von Zivildienstleistenden bringt seit 1977 eine gewisse Entlastung.
Seit der Mitte dieses Jahrzehntes wird die Diskussion um ein neues Landesgesetz zum "Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz" immer heftiger. Ziel ist die Schaffung einer einheitlichen Rechtsgrundlage. Die Bemühungen der vier Leiter der Ämter für Vor- und Frühgeschichte in Rheinland-Pfalz – Dr. Eiden (Koblenz), Dr. Stümpel (Mainz), Dr. Kayser (Speyer), Dr. Schindler (Trier) – sind schon im Vorfeld vor allem darauf ausgerichtet, die gesetzlichen Voraussetzungen sowie Inhaltliches und Organisatorisches zu verbessern.
Dennoch bleibt das 1978 in Kraft getretene Gesetz hinter den Forderungen und Erwartungen der Fachleute zurück. Zwar werden bessere Möglichkeiten der Unterschutzstellung und der wissenschaftlichen Untersuchung vor der Zerstörung von Kulturgut, u.a. durch (Ab-)Baumaßnahmen erreicht und das später eingebrachte „Schatzregal“ regelt den Verbleib des Fundes grundlegend, doch kann weder eine finanzielle oder personelle Besserstellung erreicht werden. Ein besonderes Problem stellt die Eingliederung der bisher selbständigen Ämter in das "Landesamt für Denkmalpflege", das auch die Bau- und Kunstdenkmalpflege mitumfasst, dar, zu unterschiedlich sind wissenschaftliche Methoden und Arbeitsweisen der beiden Disziplinen. Nur das Landesmuseum Trier kann seinen besonderen Status und seine Organisationsform beibehalten.
Zum 1. Januar 2007 wird die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) eingerichtet, unter deren Dach das Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz sowie die Landesmuseen in Mainz, Trier und Koblenz stufenweise zusammengeführt werden. Als obere Landesbehörde ist die GDKE direkt dem zuständigen Ministerium in Mainz nachgeordnet.
Heute ist die Landesarchäologie in Rheinland-Pfalz eine eigenständige Direktion der GDKE. Der Dienstsitz des Landesarchäologen befindet sich seit 2013 auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Mit ihren Außenstellen in Koblenz, Mainz, Speyer und Trier sowie den Mitarbeitern der Erdgeschichte betreut, schützt und erforscht sie das erdgeschichtliche sowie archäologische Erbe des Landes flächendeckend.
In ihrer siebzigjährigen Geschichte erfährt die Landesarchäologie immer wieder Veränderungen und jede Region hatte ihre eigenen Schwerpunkte. Heute ist die Archäologie ein interdisziplinäres Fach, in dem neben der Arbeit mit den historischen Quellen und Materialien, die Erkenntnisse aus Untersuchungen anderer Fachgebiete immer weiter an Bedeutung gewinnen. Zoologie, Botanik, DNA-Untersuchungen, CAD, Photogrammmetrie, LIDAR-Scans, metallurgische Untersuchungen und viele andere naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden gehören inzwischen zum alltäglichen Handwerkszeug der Archäologen. Gleichzeitig liefert die Archäologie auch die Untersuchungsmaterialien für andere Forschungsbereiche.
Aufgabe archäologischer Forschung bleibt es, die Spuren der Vergangenheit bis hin zu den Anfängen der Erdgeschichte sowie des menschlichen Lebens zu schützen, zu dokumentieren und zu erforschen, um gerade die schriftlosen Zeiten unserer Vergangenheit historisch zu erfassen. Der längste Abschnitt der Geschichte des Menschen ist ausschließlich durch Funde und Befunde im Boden erhaltener Überreste zu erschließen. Die Eingriffe in die gewachsene Umwelt des Menschen, besonders in den letzten 100 Jahren, haben bedrohliche Ausmaße angenommen. Für viele Landschaftszonen kommt jegliche Rettung zu spät. Die wenigen noch ungestörten Bereiche sollen gerade für zukünftige Zeiten geschützt werden, um nachfolgenden Generationen wenigsten in Teilbereichen ein ursprüngliches Bild der erdgeschichtlichen und archäologischen Entwicklung des Landes zu vermitteln.
Insbesondere Baumaßnahmen spielen heute eine entscheidende Rolle in der Arbeit der Landesarchäologie. Hier ist die Landesarchäologie vor Beginn der Bauarbeiten gefordert, die Zerstörung dieser Funde durch Mitsprache in der Planungsphase zu verhindern oder diese vor Baubeginn auszugraben, zu dokumentieren und bergen zu können.
Eigene Grabungsmaßnahmen sind heute wegen der kaum noch zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr umsetzbar. Forschungsgrabungen können nur noch im Zusammenspiel mit großen wissenschaftlichen Institutionen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft erfolgen.
Der Landesarchäologie kommt zugute, dass die Bürger immer wieder höchstes Interesse an ihrem archäologischen Erbe zeigen. Sie schützen oftmals archäologische Fundstellen vor dem illegalen Zugriff Einzelner, informieren die Landesarchäologie vorzeitig über Bauvorhaben in ihrer Region oder über Funde. In ihrem Engagement helfen sie bei der Bewahrung archäologischer Denkmäler, oft schaffen sie Orte, in denen man sich des kulturellen Erbes seiner Region bewusst werden kann. Auch hier wird die Landesarchäologie in den nächsten Jahren neue Aufgaben finden.