Die Forschungsstelle Kaiserpfalz der Stadt Ingelheim und die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) haben einen Kooperationsvertrag über die „Auswertung der archäologischen Untersuchungen im jüdischen Kultbezirk von Worms 2021–2024“ geschlossen. Mit dem gemeinsamen Projekt, das tiefere Einblicke in die Bau- und Kulturgeschichte des SchUM-Welterbes von Worms liefern soll, wird die erfolgreiche Zusammenarbeit der Oberen Denkmalfachbehörde des Landes und der Stadt Ingelheim fortgesetzt. Die Forschungsstelle Kaiserpfalz übernimmt im Rahmen der Kooperation die wissenschaftliche Auswertung aller mittelalterlichen Befunde und Funde. Das Land finanziert das Vorhaben, das voraussichtlich im März 2027 abgeschlossen wird.
Welterbe SchUM im Fokus
Nach der Anerkennung der SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz als Teil des UNESCO-Welterbes im Jahr 2021 wurden an allen drei Orten diverse Maßnahmen in Gang gesetzt. Sie dienen einerseits der touristischen Inwertsetzung, aber auch der weiteren Erforschung der Bau- und Bodendenkmäler, die zu den wichtigsten Zeugnissen des aschkenasischen Judentums zählen. Im jüdischen Kultbezirk von Worms, einem der ältesten in Europa, wurden zudem umfangreiche archäologische Untersuchungen durch die Planung und Vorbereitung von notwendig gewordenen Sanierungsmaßnahmen an dem historischen Ensemble veranlasst.
Die Ausgrabungen in den Jahren 2021–2024 förderten ein umfangreich erhaltenes Bodenarchiv zutage, mit dem in dieser Fülle kaum zu rechnen war. Im Bereich der Mikwe, einem jüdischen Kultbad aus dem 12. Jahrhundert, wurde zunächst der ausplanierte Trümmerschutt entfernt, der auf die Zerstörungen aus den Jahren 1938 und 1942 im Zuge des antisemitischen nationalsozialistischen Terrors zurückzuführen ist. Darunter aber entdeckte das Grabungsteam der Forschungsstelle Kaiserpfalz, das die Ausgrabungen in enger Zusammenarbeit mit der Landesarchäologie durchführte, zuvor gänzlich unbekannte Mauerzüge, Laufhorizonte, einen Ofen und Produktionsabfälle einer Werkstatt für Knochenschnitzerei. Die Befunde und das begleitende Fundmaterial reichen teilweise zurück bis zum Ursprung der Mikwe, die in den 1180er-Jahren errichtet wurde.
„Die Lage, Größe und Tiefe der Grabungsflächen wurde von der Tragwerksplanung vorgegeben. Die Aufgabe der Archäologie bestand darin, jeden Eingriff zu begleiten, damit keine Bestandsverluste am ‚Bodenarchiv‘ passieren,“ erklärt der kommissarische Landesarchäologe Dr. Ulrich Himmelmann. Während der Untersuchung waren die freigelegten Bauteile durch ein temporäres Dach geschützt, inzwischen ist die Grabung wieder verfüllt. Ulrich Himmelmann: „Der dauerhafte Schutz der Überlieferung im Boden wird auch im Gestaltungskonzept für den Synagogengarten hohe Priorität haben.“
Auch an der Synagoge, bei der es sich zu großen Teilen um einen 1957–1961 errichteten Wiederaufbau des mittelalterlichen Bauwerks handelt, führten die Untersuchungen zu neuen Erkenntnissen. Hier wurden punktuell kleine Grabungsschnitte angelegt, um die Ursache für Rissbildungen am Fundament zu untersuchen.
Viele neue Erkenntnisse erwartet
Aufgrund der überlieferten Bausubstanz und der Vielzahl datierbarer Grabungsbefunde rechnen die Wissenschaftler von GDKE und Forschungsstelle Kaiserpfalz mit zahlreichen spannenden Erkenntnissen. Das Ziel des nun vereinbarten Auswertungsprojekts ist es, die Chronologie der Denkmäler und den beständigen Wandel der Bebauung im Synagogenbezirk von Worms besser zu verstehen. Die Dokumentation der Ergebnisse soll als Grundlage für die Rekonstruktion der Baugeschichte des hochmittelalterlichen jüdischen Kultbezirks im Kontext des UNESCO-Welterbes der SchUM-Städte dienen.