Idee und Realisierung des Experimentalbaus standen ganz im Zeichen der damaligen Bauzeit: Die Ölkrise von 1973 und die Berichterstattung über Grenzen des Wachstums 1972 waren in das Bewusstsein von Politik und Gesellschaft gedrungen. Die Ausbildung von Ingenieuren und Architekten war von der Herausforderung ökologischen Bauens mit Gemeinschaftsprojekten geprägt. Aus Amerika erreichten spektakuläre Beispiele solarer Architektur im Selbstbaumodus die akademischen Hochschuldebatten in Deutschland.
Diese Impulse fanden zu Beginn der 1980er Jahre, angeregt durch das damalige Finanzministerium Rheinland-Pfalz, ihren Niederschlag in Planung und Realisierung des Studentenwohnheims der Universität Kaiserslautern. Der bauliche Bestand des sozialen, ökologischen und energetischen Lehr- und Versuchsprojektes war für eine temporäre Dauer von etwa dreißig Jahren geplant. Nur mit tatkräftiger Unterstützung als Selbsthilfe im Studienbetrieb und Materialsponsoring der regional ansässigen Industrie konnte das Studentenwohnheim realisiert werden. In der damaligen Fachpresse fand der experimentelle Bau und Prototyp einer „grünen Arche“ überaus positives Echo.
Viele Ideen des Projektes haben sich bewährt und sind heute in Zeiten des Klimawandels und der Energieeinsparung selbstverständliche Herausforderung beim Bauen geworden. Hierzu gehören etwa die Idee des Hauses im Haus, der Bau von Latentspeichern, die Integration von Grün in die Architektur und die Nutzung solarer Energie. Als Wohngemeinschaft von zwanzig Studierenden ist das ESA über die Jahre ein gelungenes, geregeltes, nachhaltiges und funktionierendes Haus. Manche Improvisationen der Entstehungszeit, so etwa die Ziegel-Wasser-Speicher-Wand in Gestalt von eingemauerten Tetrabricks, nötigen uns heute Schmunzeln ab.
Die Idee des ESA beruht auf einer bewohnbaren „zweischaligen“ Gewächshauskonstruktion mit Nutzung der Sonnenenergie. 20 Studentenappartements in Massivbauweise sind als Wärmespeicher dreistufig und über strengem Raster in den Südhang gebaut. Auf den Ebenen sind den Wohnräumen Terrassen und kleine Gärten vorgelagert. Der Gemeinschaftsraum mit Küche und Essplatz in einer gemauerten Ziegeltonne auf der Mittelebene bildet das Zentrum des Gebäudes. Für die Gruppen stehen Sanitäranlagen im Basement zur Verfügung. Eine hölzerne Fachwerkträgerkonstruktion auf Doppelstützenraster trägt das Pultdach mit leichtem Folienkissen über dem Wohnheim. Ost- und Westgiebelwände sind aus Kunststoffprofilen mit großzügigen Verglasungen hergestellt. Die Zuluft für das Wohngewächshaus ist durch die Lamellenkonstruktion einer vorgestellten Schrägverglasung sichergestellt, während die Abluftöffnungen im oberen Teil der hangseitigen Wand angeordnet sind. Solarkollektoren auf dem Gebäudefirst unterstützen die Versorgung aus erneuerbaren Energien.
Nur für eine begrenzte Dauer gedacht, ist das Energiesparende Studentenwohnheim in die Jahre gekommen. Beim Baubestand machten sich die Mängel bereits 2014 bemerkbar; fünf Jahre später beauftragte das Studierendenwerk Kaiserslautern als Eigentümerin der Immobilie eine Sanierungsstudie, die im Ergebnis verschiedener Varianten unabdingbare Sanierungsmaßnahmen an Konstruktion und Technik offenlegte. Im Raum stand eine benötigte Bausumme von über 1,6 Millionen Euro, die für die Eigentümerin nicht zu stemmen war. Ende 2019 sollte daher den studierenden Bewohner*innen gekündigt werden und der Bau zum Abriss freigegeben werden. Zwischenzeitlich jedoch, im Jahr 2018, war das Objekt im Rahmen der Erfassung der Bauten der Moderne in den Fokus der Inventarisation der Landesdenkmalpflege gekommen. Im Sommer 2019 wurde der einzigartige Wert des Kulturdenkmals festgestellt und der Verwaltung der Stadt Kaiserslautern mitgeteilt, die das weitere Verfahren einleitete. Im Erfassungstext heißt es: „Das Kaiserslauterer Studentenwohnheim erfüllt […] aus geschichtlichen und wissenschaftlichen Gründen die Kriterien eines Kulturdenkmals. Als einziges Gebäude seiner Art in Rheinland-Pfalz kann es als besonders anschauliches und frühes Beispiel für partizipatives und energiebewusstes Bauen gelten, das ein zukunftsweisendes Entwurfskonzept mit einer gemeinschaftlichen Wohnform verbindet und das aufgrund seines Seltenheitswertes und des nahezu unveränderten Erhaltungszustandes einen hohen historischen Zeugniswert aufweist.“
Trotz der Corona-Pandemie 2020 sind die nächsten Schritte getan: Die Stiftung der Universität hat sich ihres unvergleichlichen Erbes im Mai angenommen und wird mit großem Engagement der studentischen Bewohner das ESA 2.0 in die Zukunft bringen. Erste Planungen und Gutachten sind erstellt. Ressourcenschonung, ökologisches Bauen, Nutzung erneuerbarer Energien, klimaneutrales Bauen und gemeinschaftsorientiertes Wohnen sind Gebote der Stunde, die mit diesem engagierten Projekt erneut eine kreative Antwort in der Praxis finden können.
Die Stiftung plant die nächsten Schritte mit Fördermitteln und einer Crowdfunding-Kampagne der Bewohner. Der Tag des offenen Denkmals soll ein Baustein sein, dieses Vorhaben zu unterstützen!
Dr. Roswitha Kaiser, Landeskonservatorin