So vielfältig wie die Kulturdenkmäler sind auch die Aufgabenstellungen, mit denen Restauratoren und Restauratorinnen bei ihrer Arbeit konfrontiert werden. Zum dritten Mal seit 2012 stellte die von der Direktion Landesdenkmalpflege in Kooperation mit der Direktion Burgen Schlösser Altertümer und dem Landesmuseum Mainz ausgerichtete Tagung „Querbeet 3.0“ am 16./17. November 2022 die Ergebnisse aktueller restauratorischer Maßnahmen aus Rheinland-Pfalz vor.
Ihrem Titel machte die sehr gut besuchte Veranstaltung im Mainzer Landesmuseum dabei alle Ehre, denn die behandelten Fälle deckten ein breites Spektrum unterschiedlicher Objekte und Vorgehensweisen bei deren Untersuchung und Erhaltung ab. Es reichte von der Konzeptfindung für den Innenraum der gotischen Katharinenkapelle im pfälzischen Landau, bei der unterschiedliche Zeitschichten und die Spuren früherer Restaurierungsphasen zu berücksichtigen sind, über die Untersuchung barocker Leinwandtapeten in Traben-Trarbach bis zur Bewertung der Nachhaltigkeit zurückliegender Instandsetzungsmaßnahmen an Betonoberflächen von Mainzer Bauten der Vor- und Nachkriegszeit.
Eine Überraschung bedeutete der Fund einer in unserem Bundesland ausgesprochen seltenen Bohlenstube in einem Haus des 16. Jahrhunderts in Zeiskam in der Pfalz mit wechselnden Farbfassungen. Klassische Themen wie die Restaurierung eines Tafelbildes der Renaissance auf Schloss Stolzenfels, das dem italienischen Maler Girolamo da Santacroce zugeschrieben wird, kamen ebenso zur Sprache wie die Restaurierung von historisierenden Plattenharnischen auf Burg Sooneck aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die den Stil des 16. Jahrhunderts nachahmen.
Die Erhaltung der zum Teil bis in das hohe Mittelalter zurückreichenden, als Weltkulturerbe geschützten jüdischen Friedhöfe in Worms und Mainz ist wegen der großen Zahl von mehreren tausend historischen Grabsteinen und der aus religiösen Gründen eingeschränkten Bodeneingriffe eine restauratorisch schwierige und schwer zu bewältigende Aufgabe; auf Grundlage einer Bestandsaufnahme mit Schadensuntersuchung und einer Musterrestaurierung an mehreren Steinen soll ein übergreifendes Konservierungskonzept ausgearbeitet werden. Als aufwendig und mit teilweise erheblichen Eingriffen verbunden erweist sich auch die Konservierung der im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert beliebten galvanoplastischen Figuren, die als effektvolle Blickfänge die Erscheinung vieler Friedhöfe prägen; die von der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) in Geislingen an der Steige über einem Gipskern oder als Hohlguss seriell hergestellten Plastiken sind durch Witterungsschäden heute oftmals stark gefährdet.
Einen eigenen Abschnitt nahm die Problematik des verheerenden Hochwassers an der Ahr 2021 ein, das auch an Kulturdenkmälern zu unübersehbaren, manchmal irreparablen Schäden führte und angesichts ihrer Größenordnung eine besondere Herausforderung darstellt. Die Rettung des ehem. Kohlensäurewerks in Sinzig-Bad Bodendorf führte zur Ausarbeitung von Handlungsanweisungen für den Umgang mit technischen Denkmälern, die auch durch ehrenamtliche Kräfte umgesetzt werden können. Mitunter wurden die Hochwasserschäden sogar zum Auslöser für Entdeckungen, etwa die unter späteren Anstrichen verborgene dekorative Ausmalung der neugotischen Kapelle des „Hemmesser Doms“ bei Bad Neuenahr.
Mit dem Baustoff Holz beschäftigten sich die Vorträge zur Restaurierung einer aufwendigen Schaufensteranlage des frühen 20. Jahrhunderts in Kyllburg sowie zur Instandsetzung der Toranlagen von Burg Eltz, deren zwischenzeitlicher restaurierungsbedingter Ausbau durch ihre Größe, ihr Gewicht und die schwierige Zuwegung bereits erheblichen Einsatz erforderte; neben den beiden Haupttoren des 19. Jahrhunderts ließen sich die Torflügel der Kernburg in das frühe 16. Jahrhundert datieren und ergänzen damit das authentische Gesamtbild der in einmaliger Geschlossenheit überlieferten malerischen Burganlage.
Mit zwei Beiträgen war auch die Bauforschung am Tagungsprogramm beteiligt. Aufgrund dendrochronologischer Untersuchungen konnte für den Johannisturm der eindrucksvollen mittelalterlichen Stadtbefestigung von Worms-Pfeddersheim mit den Jahren 1383/1384 ein deutlich höheres Alter nachgewiesen werden als bisher angenommen. Im Zusammenhang mit der Erhebung der jüdischen SchUM-Stätten zum Weltkulturerbe erfolgte eine systematische Erfassung der mittelalterlichen Keller des Bereichs um den ehemaligen Judenhof in Speyer, die mit den Resten der Synagoge und der Mikwe sowie dem Friedhof zu den letzten anschaulichen Zeugnissen der bedeutenden jüdischen Geschichte der Stadt gehören. Durch den Abgleich der Befunde mit den historischen Schriftquellen ergeben sich wertvolle Hinweise auf die mittelalterliche Topographie von Speyer vor der Zerstörung 1689.
Waren die Vorträge mit lebhaften Diskussionen über spezifische konservatorische und restaurierungstechnische Fragen verbunden, so wurde am Rande der Veranstaltung von vielen Teilnehmern auch die Möglichkeit zum kollegialen Austausch und persönlichen Gespräch genutzt, die – bedingt durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie – schon allzu lange entbehrt werden mussten.
Tagungsprogramm: hier
Es ist vorgesehen die Inhalte der Tagung innerhalb unserer Reihe "Aus Forschung und Praxis" zu veröffentlichen.
Dr. Georg Peter Karn
Weiterbildung und Vermittlung