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Neu in der Denkmalliste: Das Europa-Gymnasium in Wörth als bemerkenswertes Beispiel der Schularchitektur der 1960er Jahre

Nur wenige Schulen der sog. Nachkriegsmoderne sind bislang in die Denkmalliste des Landes Rheinland-Pfalz eingetragen. Das Europa-Gymnasium in Wörth am Rhein bildet hier eine erfreuliche Ausnahme. Trotz der begrenzten Veränderungen kennzeichnet den Bau eine überaus qualitätvolle Architektur, die weitgehend im Original erhalten ist und die Schularchitektur der späten 1960er Jahre auf anschauliche Weise dokumentiert.
Hauptgebäude, Fassade zum südlichen Pausenhof © Gregor Zoyzola 2018
Hauptgebäude, Fassade zum südlichen Pausenhof © Gregor Zoyzola 2018
Zentrale Treppenhalle im Hauptgebäude © GDKE, Landesdenkmalpflege, L. Köhren 2018
Zentrale Treppenhalle im Hauptgebäude © GDKE, Landesdenkmalpflege, L. Köhren 2018
Erweiterungstrakt mit Betonrelief von Karl-Heinz Deutsch © GDKE, Landesdenkmalpflege, L. Köhren 2018
Erweiterungstrakt mit Betonrelief von Karl-Heinz Deutsch © GDKE, Landesdenkmalpflege, L. Köhren 2018

Der Entwurf des Europa-Gymnasiums in Wörth geht auf den Ludwigshafener Architekten Egon Seidel (*1928) zurück, der den Wettbewerb zur Errichtung einer neuen Schule 1965 für sich hatte entscheiden können. Seinen prämierten Entwurf für das Gymnasium in Wörth würdigte die Jury insbesondere aufgrund der gelungenen Konzentration der Anlage sowie der großzügigen Freiflächengestaltung. Der weitläufige, flachgedeckte Gebäudekomplex besteht aus mehreren klar gegliederten, kubischen Bauteilen, die in zwei Bauabschnitten zwischen 1968 und 1975 entstanden sind. Den Mittelpunkt des im ersten Bauabschnitt errichteten, viergeschossigen Hauptgebäudes bildet eine markante, von oben belichtete Treppenhalle, die alle Geschosse und Raumgruppen erschließt. Die Treppenhalle gehört zu den zentralen architektonischen Elementen des Gebäudes, da sie nicht nur eine funktionale Bestimmung erfüllt, sondern mit ihren in den Raum kragenden Treppenpodesten selbst auch raumbildende, skulpturale Kraft entwickelt.  

Während das Äußere des Hauptgebäudes durch einen spannungsreichen Wechsel aus rötlich-braunen Klinkerfassaden und Sichtbetonelementen geprägt ist, wurde der 1974 erbaute, dreigeschossige Erweiterungstrakt nordöstlich des Hauptgebäudes gänzlich in schalungsrauem Sichtbeton ausgeführt. Hier wird die Hinwendung zu dem in den 1960er Jahren aufkommenden Brutalismus, der das rohe, unverputzte Material als architektonisches Gestaltungsmittel in den Vordergrund stellt, besonders deutlich. An seiner nördlichen Stirnseite ist der Bau zudem mit einem wandhohen, abstrakten Betonrelief versehen, das von dem vielfach ausgezeichneten Bildhauer Karl-Heinz Deutsch entworfen wurde. Die Unterrichtsräume sind in diesem Gebäudeteil um ein von oben belichtetes, geschossübergreifendes Atrium angeordnet, das im Erdgeschoss einen multifunktionalen Großraum entstehen lässt.

Typologisch gehört das Europa-Gymnasium damit zu den seit Beginn der 1960er Jahre errichteten Hallenschulen, die statt der bis dahin üblichen Pavillonbauweise wieder kompakte, mehrgeschossige Anlagen mit zentraler Halle bevorzugen. Trotz der bemerkenswerten Baumasse entstand jedoch kein kompakter Großkomplex, wie man ihm vielerorts in den 1960er und 1970er Jahren vor allem im Verwaltungsbau begegnet. Der Architekt entwarf vielmehr eine sowohl in der Grundrisslösung als auch in der Fassadenentwicklung differenziert gegliederte Anlage, die auch durch ihre hohe Materialästhetik besticht. Dazu trägt ebenfalls die großflächige, plastische Gestaltung der Nordwand bei, die dem Gebäude eine gesteigerte Qualität verleiht, die nur wenigen Zweckbauten dieser Zeit eigen ist.

Leonie Köhren
Inventarisation

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