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Ein Ort moderner Bestattungskultur als Kulturdenkmal der 1970er-Jahre

Hinter der Trauerhalle auf dem Ludwigshafener Hauptfriedhof versteckt sich ein sowohl architektonisch als auch gärtnerisch gestalteter Urnenhain von intimem Charakter, der als besonders anschauliches und in sich geschlossenes Beispiel einer Friedhofsanlage der Nachkriegsmoderne gelten kann.
Zugang zum Urnenhof an der südöstlichen Ecke © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
Zugang zum Urnenhof an der südöstlichen Ecke © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
Offene Urnenhalle mit weitgespannter Rippendecke © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
Offene Urnenhalle mit weitgespannter Rippendecke © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
Begrünte Innenhöfe mit einheitlich gestalteten Urnenmauergräbern © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
Begrünte Innenhöfe mit einheitlich gestalteten Urnenmauergräbern © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
Betonrelief von 1975 im Eingangsbereich an der Nordostecke © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
Betonrelief von 1975 im Eingangsbereich an der Nordostecke © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege

Der sogenannte Urnenhof befindet sich im rückwärtigen Bereich der Trauerhalle auf dem Hauptfriedhof in Ludwigshafen. Der bereits im Jahr 1968 beschlossene Bau wurde 1971–1975 nach Plänen des städtischen Garten- und Friedhofsamtes ausgeführt. Für die bauliche und gärtnerische Gestaltung der Anlage zeichnet der damals leitende Gartenbaudirektor Viktor von Medem (1911–2008) verantwortlich. Zahlreiche Park- und Grünanlagen in Ludwigshafen wie etwa die Außenanlagen im Ebertpark gehen auf den Gartenarchitekten zurück, der ab 1956 als Leiter des Garten- und Friedhofsamtes und ab 1966 als Gartenbaudirektor tätig war.

Die streng geometrische Ordnung der Anlage, die durch Gehölzpflanzungen eingefasst wird, lässt ein geschlossenes Ensemble von intimem Charakter entstehen, das sich deutlich von den anderen Grabfeldern des Hauptfriedhofs absetzt. Die Grabstätten sind als sogenannte Urnenmauergräber ausgebildet und in freistehenden Mauerelementen untergebracht. Den Mittelpunkt der Anlage bildet eine offene, als Stahlbetonkonstruktion ausgeführte Unterstellhalle, die mit ihrer weitgespannten Rippendecke zugleich als Witterungsschutz und Begegnungsstätte dient.

Die zum Teil doppelseitig ausgeführten Urnenmauergräber nehmen in drei Ebenen übereinander Kammern zur Unterbringung der Urnen auf. Da die Geschlossenheit der Anlage für den Entwurf von hoher Bedeutung war, sollten die einzelnen Urnenkammern eine einheitliche Gestaltung erhalten. Sie wurden daher mit Bronzetafeln geschlossen und mit einer gleichartigen Beschriftung versehen. Die Mauerelemente selbst sind in Betonfertigteilbauweise erstellt und durchweg in Sichtbeton ausgebildet. Rück- und Stirnseiten der Urnenmauern weisen dabei stark profilierte Oberflächen mit vertikalen Profilstreifen in Waschbeton auf. Im Unterschied zu den ausschließlich in Sichtbeton gehaltenen baulichen Elementen zeigen die Erschließungswege innerhalb der Anlage ein Raster aus großformatigen Sandsteinplatten, das von Granitpflasterstreifen unterbrochen wird.

Zu mehreren Mauergruppen zusammengesetzt, lassen die Urnengräber kleine rechteckige Innenhöfe entstehen, die eine intensive gärtnerische Bepflanzung mit immergrünen Bodendeckern, Solitärgehölzen und Stauden aufweisen. Am Rande jeder Grünfläche befinden sich zudem quaderförmige Blöcke aus rotem Sandstein, die zur Kranzablage dienen. Vier Zierbrunnen aus Sandstein nach Entwurf des Bildhauers Hans Günter Thiele sind in einer Reihe entlang des Mittelweges aufgestellt und ebenso wie Urnenmauern und Gärten in das geometrische Raster der Wegepflasterung eingebunden.

Der Urnenhof im Ludwigshafener Hauptfriedhof weist bis heute einen weitgehend unveränderten Erhaltungszustand auf und kann als besonders anschauliches und in sich geschlossenes Beispiel einer Friedhofsanlage der Nachkriegszeit gelten, die zugleich einen gehobenen gestalterischen Anspruch besitzt. Darüber hinaus zeugt er in anschaulicher Weise von einer Zeit, als in der Bestattung und der Unterbringung von Urnengräbern neue Wege beschritten wurden. So stellt die Anlage in der Form der Beisetzungen der Urnen in oberirdischen Urnenkammern, die als architektonisch durchgebildete Mauerelemente entworfen wurden, eine sowohl in gestalterischer als auch in wirtschaftlicher Sicht zukunftsweisende Entwicklung dar, die bis dahin in nur wenigen Städten Umsetzung gefunden hatte. Der Urnenhof hebt sich damit nicht nur deutlich aus dem überlieferten Bestand vergleichbarer Anlagen in Rheinland-Pfalz heraus, sondern kann sich auch im deutschlandweiten Vergleich als anspruchsvolles und aussagekräftiges Beispiel der fortgeschrittenen Nachkriegsmoderne behaupten.

Dr. Leonie Köhren
Inventarisation

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