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Der Mäuseturm bei Bingen im neuen Farbkleid

Seit 2015 präsentiert sich der Mäuseturm bei Bingen in einem ungewohnten Farbkleid. Das neue Erscheinungsbild ist der Schlusspunkt einer umfangreichen Sanierung. Vor allem die Zinnen und Bekrönungen, die Dachplattform und der Putz wiesen starke Schäden auf. Im Inneren waren die Räume durch fehlende Lüftung und ungünstige Anstrichmaterialien mit einer starken Schimmelproblematik belastet.
Gesamtansicht des Mäuseturms © GDKE, Landesdenkmalpflege, M. Wenzel
Gesamtansicht des Mäuseturms © GDKE, Landesdenkmalpflege, M. Wenzel
Endzustzand des Mäusefries © Iris Uhrig
Endzustzand des Mäusefries © Iris Uhrig
Blick auf das Binger Loch mit Mäuseturm und Ruine Ehrenfels © GDKE, Landesdenkmalpflege, M. Wenzel
Blick auf das Binger Loch mit Mäuseturm und Ruine Ehrenfels © GDKE, Landesdenkmalpflege, M. Wenzel

Der Mäuseturm geht in seinem mittelalterlichen Bestand auf die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts zurück. Damals bildete er gemeinsam mit den kurmainzischen Burgen Ehrenfels und Klopp einen Funktionszusammenhang. Unter anderem wurde hier eine Maut erhoben, ein Begriff, der später in Maus – Mäuseturm - umgedeutet wurde. Der verfallene Turm wurde ab 1856 sehr praxisnah für die zunehmende Schifffahrt als Wahrschau-Station umgebaut und dabei gleichzeitig architektonisch aufgewertet -  zum weithin sichtbaren Wahrzeichen am Beginn des engen Mittelrheintales. König Friedrich Wilhelm VI. selbst beteiligte sich an den Entwürfen, die endgültigen Pläne lieferte der Kölner Dombaumeister Ernst Zwirner.

Bei der jüngsten Instandsetzung war ursprünglich die Wiederholung des bestehenden Anstriches mit roten Architekturgliedern vorgesehen. Sie gaben dem Turm ein „mittelalterliches“ Erscheinungsbild und lassen sich auf restauratorische Befunde zurückführen, die 1997 erhoben und jetzt erneut bestätigt wurden. Ihr geringer Umfang macht eine getreue Gesamtrekonstruktion jedoch schwierig, zumal die jüngeren, oberen Bauteile des 19. Jahrhunderts mit der älteren Farbfassung überzogen worden wären.

Ein Zufallsfund über das Internet führte schließlich zu neuen Überlegungen und zu einem Umdenken: Es fand sich die Abbildung eines Ölgemäldes von Andreas Achenbach, einem bedeutenden Vertreter der Düsseldorfer Malerschule in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Er zeigt den Mäuseturm nach dem Ausbau zur Wahrschau-Station vor einer sturmumtosten Gebirgskulisse mit Segel- und Dampfschiffen auf dem Rhein  - und mit hellen, putzfarbigen Wandflächen und steinsichtigen Architekturgliedern.

Weitere Nachforschungen in Literatur und Bildarchiven  sowie  eine vertiefende restauratorische Untersuchung bestätigten dieses Erscheinungsbild. Auch die genaue Beschreibung der Umbaumaßnahmen in der Zeitschrift für Bauwesen, Jg VII. 1857 gab lediglich Hinweise auf einen Putzüberzug,  aber nicht auf eine Farbfassung.
Daher kann man sicher davon ausgehen, dass der Mäuseturm in dieser Zeit - bis auf das Wappen - keine  ausgeprägte Farbigkeit besaß, sondern sowohl stein- als auch putzsichtig war. Vergleichsbeispiele für diese Art der materialsichtigen Architekturgestaltung bzw. Ton-in-Ton-Fassung finden sich viele in der ehem. preußischen Rheinprovinz, so u.a. auch auf Schloss Stolzenfels bei Koblenz.

Diese neuen Erkenntnisse wurden zur Grundlage für die neue Farbfassung. Mit ihr wird das Erscheinungsbild des Turmes aus der Zeit der Rheinromantik wiederhergestellt. Der Zustand von Putz und Werksteinen erlaubten es jedoch nur, sich der ursprünglichen Gestaltung durch einen zurückhaltenden Farbanstrich anzunähern.
Auch im Inneren stellte man die schlichte, aber sorgfältige Wandgestaltung mit abgesetzten Sockelbereichen und Begleitstreifen nach Befund wieder her. Ein Raum jedoch bietet eine Überraschung: einen umlaufenden Fries aus kleinen Mäusen.

So präsentiert sich der Mäuseturm heute sowohl innen wie außen im Farbgewand seiner letzten, großen Veränderungsphase während der Rheinromantik.

Maria Wenzel

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