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Der ehem. Bahnhof Rotenhain: Ein Bau- und Technikdenkmal der 1960er Jahre

Ein bemerkenswertes und selten gewordenes Zeugnis der Technikgeschichte aus der Nachkriegszeit wird als Kulturdenkmal erhalten.
ehem. Bahnhof Rotenhain, Empfangsgebäude mit Güterschuppen © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
ehem. Bahnhof Rotenhain, Empfangsgebäude mit Güterschuppen © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
Außen-Spannwerksanlage © Guido Walter
Außen-Spannwerksanlage © Guido Walter
Mechanisches Stellwerk der Bauart „Einheit“ © Ralf Kollig
Mechanisches Stellwerk der Bauart „Einheit“ © Ralf Kollig
Fahrkartenausgabe © Guido Walter
Fahrkartenausgabe © Guido Walter

Das ehemalige Bahnhofsgebäude Rotenhain in Stockum-Püschen (Westerwaldkreis) wurde 1968 als Ersatz für einen zuvor abgebrochenen Vorgängerbau an der als Oberwesterwaldbahn bezeichneten Bahnstrecke von Limburg nach Altenkirchen errichtet. Als vollständig neue Anlage stellt es eine Seltenheit dar, denn in den 1950er und 1960er Jahren erfolgten eigentlich kaum mehr Neubauten kleinerer Landbahnhöfe durch die Bundesbahn. In der Regel wurde an vorhandenen Bahnstrecken der Baubestand in Neubauten integriert, so auch bei der 1884 in Betrieb genommenen Oberwesterwaldbahn. Vergleichbare Bahnhofsgebäude entlang der Oberwesterwaldbahnstrecke sind nicht bekannt, ebenso gibt es landesweit nach bisherigem Kenntnisstand kaum weitere Beispiele für einen derart authentischen und in sich geschlossenen Bahnhof der Nachkriegszeit.

Das eingeschossige Empfangsgebäude präsentiert sich als schlichter kubischer Putzbau mit weit überstehendem Flachdach und einem zentralen, mit großen Glasflächen ausgestatteten Dienstraum, der leicht aus der Gebäudeflucht hervortritt. Neben dem Dienstraum mit Stellwerk integriert das Gebäude auch einen kleinen Warteraum mit Fahrkartenschalter und einen Güterschuppen für die Lagerung von Stückgut mit einer zweiseitigen Rampenandienung. Da bis zur Außerbetriebnahme im Jahr 2018 offenbar keine Modernisierungen durch die Bundesbahn erfolgten, zeigt sich sowohl das Gebäude als auch die Ausstattung bis heute in einem nahezu unveränderten Überlieferungszustand.

Eine Besonderheit stellt die noch vollständig erhaltene Stellwerkstechnik im Gebäude dar. Es handelt sich dabei um ein mechanisches Stellwerk der Bauart „Einheit" mit elektrischem Streckenblock der Bauart „TF 71“. Das Einheitsstellwerk kann als ausgereifteste und zugleich letzte Entwicklungsstufe der mechanischen Stellwerksbauarten in Deutschland gelten und besitzt daher technikgeschichtliche Bedeutung. Trotz Rückbau der Gleis- und Signalinfrastruktur lässt sich die Funktionalität dieser Technik anhand des noch komplett vorhandenen mechanischen Stellwerks gemeinsam mit den unmittelbar neben dem Gebäude erhaltenen Spanngewichten für die Drahtzugverbindungen zu Weichen und Signalen in besonderer Weise nachvollziehen. In seltener Anschaulichkeit lassen sich hier nicht nur die technischen und eisenbahnbetrieblichen Bedingungen eines kleinen Landbahnhofs der Nachkriegszeit ablesen, sondern auch der Dienstleistungsaspekt der Bundesbahn – der damals noch einen großen Anteil hatte – kann anhand der Fahrkartenausgabe und der Möglichkeit zur Annahme von Gepäck und Expressgut im schlichten Warteraum noch immer eindrücklich nachvollzogen werden.

Der Bahnhof stellt darüber hinaus bis heute ein gut nachvollziehbares Zeugnis der Architektursprache der Nachkriegsmoderne dar und kann damit als eines der wenigen Bahnhofsgebäude in diesem Baustil gelten. Vor allem die bestechend klare und funktionale Struktur des Gebäudes und die zeittypischen Details wie die großen Glasflächen und das weit überstehende Flachdach stehen beispielhaft für eine in der Nachkriegszeit äußerst charakteristische Architektursprache.

Der ehem. Bahnhof Rotenhain ist damit samt Ausstattung, zugehörigem Güterschuppen, Stellwerk und Spannwerksanlage sowohl in baulicher als auch in technischer Hinsicht als Kulturdenkmal einzustufen. Die Unterschutzstellung des Ensembles erfolgte auf Anregung der „Arbeitsgemeinschaft Mechanische Stellwerke e. V.“, die den ehemaligen Bahnhof Rotenhain 2018 erworben und es sich zum Ziel gemacht hat, das Gebäude samt seiner Stellwerkstechnik für die Zukunft zu erhalten.

Dr. Leonie Köhren

Inventarisation

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