Die Neutorschule in Mainz wurde in den Jahren 1924 bis 1926 nach einem Entwurf des Stadtbaurats Fritz Luft unter teilweiser Nutzung von Gebäudeteilen der ehemaligen Gasapparat- und Gusswerk AG als Volksschule für Mädchen erbaut. Bei der Planung des Schulgebäudes sowie des Raum- und Nutzungskonzepts folgte Luft dabei den Ideen der Reformpädagogik und erbaute somit ein zur damaligen Zeit modernes Gebäude, welches den fortschrittlichen Ansprüchen dieses pädagogischen Gedankens entsprach. Teil des Konzepts war auch die Nutzung der Lehrküche samt Speisesaal als Volksküche zur Versorgung bedürftiger Menschen sowie die Errichtung eines Volksbades im Keller des Hauptbaus. Ähnliche Volksbäder wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch in anderen Städten eingerichtet, da in den meisten Häusern noch keine Badezimmer vorhanden waren und somit einem Großteil der Bevölkerung kein direkter Zugang zu einer Bademöglichkeit zur Verfügung stand. Die Gebäudenutzung folgte somit den reformpädagogischen Ansätzen der Volksbildung und der Volksgesundheit.
Der heutige Zustand des Volksbades ist beeinträchtigt von dessen Verwendung als Kellerraum. Auch verunklärt der nachträgliche Einbau von Leitungen zum Betrieb der Gebäudetechnik die Erlebbarkeit der ursprünglichen Nutzung. Die gefliesten Oberflächen weisen zahlreiche Alterungsspuren auf und ihr Bild ist geprägt von kleineren und größeren Beschädigungen sowie Reparaturmaßnahmen. Wenngleich die bauzeitlichen Wasserleitungen, Duschköpfe und Armaturen heute fehlen, ist das Volksbad trotzdem durch die noch immer vorhandenen 27 einzelnen Duschabteile als Badeanstalt erkennbar.
Bis zur Schließung im Jahr 1989 diente das Gebäude ausschließlich schulischen Zwecken. Danach wurden die Räumlichkeiten der Neutorschule auf unterschiedlichste Weise beansprucht. Teilweise dienten sie als Künstlerwerkräume oder wurden von der Mainzer Volkshochschule, durch das Volkstheater oder verschiedene Vereine genutzt sowie aktuell auch durch die Initiative Neutorschule, die hier ein Schulmuseum eingerichtet hat.
Vor dem Hintergrund der bewegten Vergangenheit des Gebäudes und der besonderen Bedeutung, welche ihm im Kontext der deutschen Reformpädagogik zukommt, soll auch das Volksbad vor dem Vergessen geschützt und zukünftig der Vermittlung der Geschichte und des pädagogischen Gesamtkonzeptes der Neutorschule dienen. Eine restauratorische Untersuchung des erhaltenen Bestandes sowie eine detaillierte Schadensaufnahme sollen nun die Grundlage für ein Konservierungs- und Restaurierungskonzept bilden und haben zum Ziel, dieses wichtige Zeugnis der Geschichte vor weiterem Verfall zu bewahren und in seiner ursprünglichen Funktion wieder erlebbar zu machen.
Niklas Underwood
Restaurierung