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Das Obertor der Stadtmauer von Ahrweiler

Instandsetzungskonzept und Erforschung der Baugeschichte
Das Obertor in Bad Neuenahr-Ahrweiler © GDKE, Landesdenkmalpflege, C. Hüther
Das Obertor in Bad Neuenahr-Ahrweiler © GDKE, Landesdenkmalpflege, C. Hüther
Detailansicht © GDKE, Landesdenkmalpflege, C. Hüther
Detailansicht © GDKE, Landesdenkmalpflege, C. Hüther

Statische Sicherung des Stadttores

Die Stadtbefestigung in Bad Neuenahr-Ahrweiler wurde Mitte des 13. Jahrhunderts errichtet und verfügt seit jeher über vier Toranlagen, die noch heute den Eingang zur Altstadt markieren. Den südwestlichen Durchgang bildet das Obertor, früher auch Walporzheimer oder Gesemer Tor genannt. Anders als das Ahrtor im Südosten des Stadtmauerrings, das im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört und anschließend wiederaufgebaut wurde, hat das Obertor die beiden Weltkriege weitgehend unbeschadet überstanden und seine spätmittelalterliche Bausubstanz bewahren können. Starke, bis zu 8 cm breite Rissbildungen in den Mauern sowie im Gewölbe über der Tordurchfahrt waren jedoch jüngst Anlass für Untersuchungen am Bauwerk, die hauptsächlich der Ursachenforschung dienen sollten. Ein Baugrundgutachten ergab, dass der Untergrund ausreichend stabil ist. Auch die Klärung der Baugeschichte konnte keine Anhaltspunkte liefern, denn die Risse treten nicht nur an Baunähten oder historischen Reparaturstellen auf, sondern auch in weitgehend intakten und ungestörten Bereichen des Mauerwerks. Das Ingenieurbüro Müller (Neuwied) konnte letztlich mittels computerbasierter 3D-Berechnungen herausfinden, dass vor allem die starken, ungleichmäßigen Temperaturbeanspruchungen durch die Sonneneinstrahlung und das damit einhergehende wiederholte Ausdehnen und Zusammenziehen der Baumaterialien als Hauptursache für die Rissbildung angesehen werden können. Das aktuelle Instandsetzungskonzept für den Turm sieht nun vor, in allen vier Fassaden durch horizontale Bohrungen lange Edelstahl-Stabanker in die Wandscheiben einzubringen, die nach Abschluss der statischen Sicherungsmaßnahmen nicht sichtbar sein werden. Ergänzend sollen offene Risse verpresst, die Mauerwerksfugen mit Kalkmörtel erneuert, einige Schäden am Dachtragwerk und den Deckenbalken repariert und das Dach in Naturschiefer neu eingedeckt werden.
 

Neue bauhistorische Erkenntnisse

Vorbereitend und baubegleitend zu den geplanten Instandsetzungsmaßnahmen wurde das Büro für Historische Bauforschung Frank & Mielke (Mainz) mit der Erforschung der Baugeschichte beauftragt, das bereits erste spannende Erkenntnisse liefern konnte. So war der Turm ursprünglich deutlich niedriger als heute und zur Stadtseite hin offen: ein sogenannter Schalenturm. Zugänglich war er wohl auch damals schon über eine Seitentür im Obergeschoss, zu der man heute nur über das angrenzende Wohnhaus gelangt. Die dendrochronologische Untersuchung eines Sturzholzes über dieser Tür ergab ein mögliches Errichtungsdatum zwischen 1254 und 1267. In späterer Zeit wurde der Schalenturm auf der Stadtseite geschlossen, um ein zusätzliches Obergeschoss erhöht und mit Ecktürmchen sowie einem Walmdach mit umlaufendem offenem Wehrgang versehen. Eine dendrochronologische Beprobung dreier Dachbalken sowie an einem Gerüstholz konnte diese Bauphase auf das Jahr 1417 datieren. An einer Schießscharte im zweiten Obergeschoss lässt sich ablesen, dass in Ahrweiler zu jener Zeit bereits sogenannte Hakenbüchsen zur Verteidigung verwendet wurden. Da der Rückstoß der Feuerwaffen beim Abfeuern so groß war, dass ein Mann ihm nicht hätte standhalten können, wurde der mit einem eisernen Haken versehene Lauf an einem Querholz in der Schießscharte befestigt. Diese Hölzer sind heute nur noch selten erhalten und es ist ein Glücksfall, dass das Obertor in Ahrweiler einen solch anschaulichen und so früh zu datierenden Befund aufweist, denn zu jener Zeit waren diese Waffen in der Region noch kaum verbreitet.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts musste nach starken Zerstörungen die äußere, feldseitige Fassade des Obertors umfangreich repariert werden, was sich bei genauerem Hinsehen im Mauerwerk und an dem Bogenfries ablesen lässt, der in diesem Reparaturbereich eine etwas feinere Ausarbeitung der Formen als der ältere Bestand aufweist. In das reparierte Mauerwerk wurden zusätzlich sieben große Steinschleuderkugeln, sogenannte Blidenkugeln, eingelassen. Weitere dendrochronologische Proben an den hölzernen Bauteilen des Obertors zeigen, dass ein Teil der Deckenbalken im Inneren 1662 ausgetauscht werden musste. 1787 wurde schließlich der obere Wehrgang überdacht.

Baubegleitend wird die bauhistorische Untersuchung fortgeführt werden, in der Erwartung dass vom Gerüst aus weitere spannende Erkenntnisse über die Geschichte des Obertors gewonnen werden können.

Constanze Hüther

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