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Der ehem. Bahnhof Rotenhain: Ein Bau- und Technikdenkmal der 1960er Jahre
ehem. Bahnhof Rotenhain, Empfangsgebäude mit Güterschuppen © Leonie Köhren, GDKE, Landesdenkmalpflege
Außen-Spannwerksanlage © Guido Walter
von Dr. Leonie Köhren
Ein bemerkenswertes und selten gewordenes Zeugnis der Technikgeschichte aus der Nachkriegszeit wird als Kulturdenkmal erhalten.
Das ehemalige Bahnhofsgebäude Rotenhain in Stockum-Püschen (Westerwaldkreis) wurde 1968 als Ersatz für einen zuvor abgebrochenen Vorgängerbau an der als Oberwesterwaldbahn bezeichneten Bahnstrecke von Limburg nach Altenkirchen errichtet. Als vollständig neue Anlage stellt es eine Seltenheit dar, denn in den 1950er und 1960er Jahren erfolgten eigentlich kaum mehr Neubauten kleinerer Landbahnhöfe durch die Bundesbahn. In der Regel wurde an vorhandenen Bahnstrecken der Baubestand in Neubauten integriert, so auch bei der 1884 in Betrieb genommenen Oberwesterwaldbahn. Vergleichbare Bahnhofsgebäude entlang der Oberwesterwaldbahnstrecke sind nicht bekannt, ebenso gibt es landesweit nach bisherigem Kenntnisstand kaum weitere Beispiele für einen derart authentischen und in sich geschlossenen Bahnhof der Nachkriegszeit.
Das eingeschossige Empfangsgebäude präsentiert sich als schlichter kubischer Putzbau mit weit überstehendem Flachdach und einem zentralen, mit großen Glasflächen ausgestatteten Dienstraum, der leicht aus der Gebäudeflucht hervortritt. Neben dem Dienstraum mit Stellwerk integriert das Gebäude auch einen kleinen Warteraum mit Fahrkartenschalter und einen Güterschuppen für die Lagerung von Stückgut mit einer zweiseitigen Rampenandienung. Da bis zur Außerbetriebnahme im Jahr 2018 offenbar keine Modernisierungen durch die Bundesbahn erfolgten, zeigt sich sowohl das Gebäude als auch die Ausstattung bis heute in einem nahezu unveränderten Überlieferungszustand.
Eine Besonderheit stellt die noch vollständig erhaltene Stellwerkstechnik im Gebäude dar. Es handelt sich dabei um ein mechanisches Stellwerk der Bauart „Einheit" mit elektrischem Streckenblock der Bauart „TF 71“. Das Einheitsstellwerk kann als ausgereifteste und zugleich letzte Entwicklungsstufe der mechanischen Stellwerksbauarten in Deutschland gelten und besitzt daher technikgeschichtliche Bedeutung. Trotz Rückbau der Gleis- und Signalinfrastruktur lässt sich die Funktionalität dieser Technik anhand des noch komplett vorhandenen mechanischen Stellwerks gemeinsam mit den unmittelbar neben dem Gebäude erhaltenen Spanngewichten für die Drahtzugverbindungen zu Weichen und Signalen in besonderer Weise nachvollziehen. In seltener Anschaulichkeit lassen sich hier nicht nur die technischen und eisenbahnbetrieblichen Bedingungen eines kleinen Landbahnhofs der Nachkriegszeit ablesen, sondern auch der Dienstleistungsaspekt der Bundesbahn – der damals noch einen großen Anteil hatte – kann anhand der Fahrkartenausgabe und der Möglichkeit zur Annahme von Gepäck und Expressgut im schlichten Warteraum noch immer eindrücklich nachvollzogen werden.
Haus im Haus – Zurück ins Hochmittelalter
ehem. Lateinschule, Diez © Historische Bauforschung Frank & Mielke GbR, Mainz
Bauphasenplan, Grundriss Kellergeschoss © Historische Bauforschung Frank & Mielke GbR, Mainz
Eines der ältesten Fachwerkhäuser in Rheinland-Pfalz steht in Diez!
Eine vorher nicht zu erwartende, sehr frühe Datierung hat die Bauuntersuchung eines Gebäudes in der Pfaffengasse in Diez zutage gebracht. Dass die ehemalige Lateinschule ein besonderes Gebäude darstellt, war allen am Projekt Beteiligten von Beginn an klar. Aber was für ein außergewöhnliches Denkmal sich hinter der langestreckten Fachwerkfassade verbirgt, konnte anfangs niemand ahnen.
Im Jahr 2019 entschloss sich die Eigentümerfamilie, das leerstehende Gebäude zu kaufen und mit einem ausgeklügelten Konzept instand zu setzen. In dem großvolumigen Bau werden die Eigentümer Wohnraum für sich selber schaffen, es werden aber auch weitere Wohnungen entstehen, die vermietet werden sollen. Als besonders stellt sich bei dem Konzept dar, dass die äußerst verwinkelten räumlichen Strukturen des Gebäudekomplexes dabei so gut wie unangetastet bleiben.
Da bei Ortsbegehungen schnell klar wurde, dass in dem verschachtelten Grundriss des Gebäudes mehr steckt, forderte die Landesdenkmalpflege eine bauhistorische Untersuchung, um genauere Informationen zum Bauablauf der Vergangenheit zu erhalten. Die Untersuchung konnte im Rahmen eines Zuschusses finanziell unterstützt werden.
Die Ergebnisse der bauhistorischen Forschung sind als spektakulär zu bezeichnen. Dendrochronologische Untersuchungen der verbauten Hölzer haben ergeben, dass sich hinter der Renaissance-Fachwerkfassade von 1602 (d) umfangreich ein hochmittelalterliches Fachwerkhaus erhalten hat, das im Jahr 1326 (d) errichtet wurde. Auch die bei der Errichtung zur Anwendung gekommene Ständerbauweise sowie die Verblattungen der Balken weisen auf das hohe Alter des Kerngebäudes hin, da es sich um Konstruktionsweisen handelt, die in späteren Zeiten keine Verwendung mehr fanden.
Anders als das Renaissance-Gebäude, das sich traufständig entlang der Straße erstreckt, war der hochmittelalterliche Bau mit seinem Giebel zur Straße errichtet worden. Sein Obergeschoss besaß auf der Straßenseite und einer Längsseite eine starke Auskragung. Auf dem ebenfalls zum hochmittelalterlichen Gebäude gehörenden tonnengewölbten Keller haben sich nicht nur zahlreiche Wandstrukturen bis hinauf ins Dachgeschoss erhalten, sondern auch ganze Deckenkonstruktionen aus dem frühen 14. Jahrhundert sind noch vorhanden, sodass sich der Ursprungsbau bis hin zur Raumaufteilung heute noch recht genau nachvollziehen lässt.
Auch die Bauphase von 1602 (d) ist umfangreich im Bestandsgebäude bewahrt geblieben. Besonders erwähnenswert ist dabei, dass der große Saal der Lateinschule bei dem Umbau nur durch einen eingestellten, zweiräumigen Kubus ergänzt wurde, sodass sich in diesem Bereich hochmittelalterliche und Renaissancestrukturen in Art eines Hauses im Haus miteinander verbinden, so wie dies im Großen mit dem gesamten früheren Bestand durchgeführt wurde, der in vielen Bereichen einfach durch den Renaissance-Bau ummantelt wurde.
Die letzte bedeutendere Umbauphase fand nach 1719 (d) statt, als Fenster vergrößert und in ihrer Lage verändert wurden. Im Inneren wurden repräsentative Treppenläufe mit plastischen Holzbalustern eingebracht, über die noch heute der Zugang zu den Obergeschossen erfolgt.
Unterlassener Bauunterhalt und die Verwendung falscher Materialien in den letzten Jahrzehnten führten schließlich zu den häufig anzutreffenden Schadensbildern. Die kleineren baulichen Veränderungen des 19. und 20. Jahrhunderts griffen aber kaum in die vorhandenen Strukturen ein, sodass sich in Diez mit der Lateinschule ein Gebäude erhalten hat, das aufgrund seines frühen Entstehungszeitpunktes und der umfassend erhalten gebliebenen historischen Substanz seinesgleichen in Rheinland-Pfalz sucht.
Mit den neuen Eigentümern hat das Fachwerkensemble glücklicherweise Bauherren gefunden, die äußerst behutsam mit der Substanz umgehen und bis auf einen kleineren Eingriff im Eingangsbereich die Raumstrukturen komplett beibehalten werden. Die sensible Herangehensweise der Bauherren und ein denkmalerfahrener Planer, der bereits in der Vergangenheit zusammen mit der Familie unter Denkmalschutz stehende Objekte instand gesetzt hat, sind Voraussetzung für dieses beachtenswerte Projekt.
Dr. Katinka Häret-Krug
Praktische Denkmalpflege
Die Wandmalereien in der Christuskirche von Haßloch – eine unvermutete Überraschung
Haßloch, bildliche Rekonstruktion der Wandmalerei an der Ostseite der Ulrichskapelle von Quentin Saltzmann © Quentin Saltzmann Restaurator, Schaafheim
von Maria Wenzel
Im Zentrum des Oberdorfes von Haßloch steht ortsbildprägend die barocke Christuskirche. Schon seit einiger Zeit war bekannt, dass sich unter den Tünchen der Ulrichskapelle im unteren Turmgeschoss ältere Malereien verstecken. Aber erst bei den jüngsten restauratorischen Untersuchungen wurden ornamentale Fresken entdeckt, die einen neuen Blick auf die Bau- und Kirchengeschichte gestatten.
Die Christuskirche hat eine ungewöhnliche Baugeschichte. Vom mittelalterlichen Ursprungsbau hat sich nur der Chor, die sog. Ulrichskapelle, als unteres Turmgeschoss erhalten. Das Kirchlein wurde 1559 den Reformierten überlassen, die laut Inschrift im Jahr 1700 den Turm aufbauen ließen. 1752–1754 wurde ein großer neuer Saalbau angefügt, der vermutlich das alte Kirchenschiff ersetzte, aber nach Süden ausgerichtet wurde. Der ehem. Chorraum wird zwar ins 14. Jahrhundert datiert, zeigt aber spätere Veränderungen des 15./16. Jahrhunderts. Eine weitere Zeitschicht erschloss sich durch einen Schurf im Boden, bei dem man ein Steingewände aus dem späten 16. bzw. frühen 17. Jahrhundert mit einer charakteristischen kleinen Volute (Schneckenform) und vermutlich zeitgleichen Wandmalereien fand. Weitere restauratorische Untersuchungen erweiterten den Blick auf die historische Ausmalung.
Offenbar erfuhr der Chor um 1600 eine malerische Neugestaltung von hoher Qualität, die in unterschiedlich aussagekräftigen Resten erhalten ist. Sie umfasst im Wesentlichen die Rahmung der Tür- und Fensteröffnungen. An der Ostseite ist die Fensternische rot abgesetzt und durch eine dunklere Rollwerk-Dekoration auf den Wänden zusätzlich betont. Auf der Südseite findet sich – heute halb vom Boden verdeckt – eine architektonisch aufwändig gerahmte Öffnung mit Rollwerk in kräftigen Rot-, Gelb- und Grautönen. Auf den Wänden war ein Sockel abgesetzt; die Gewölberippen waren in einem hellen Rot mit einem dunkleren Begleitstrich angelegt, die Schlusssteine farbig gefasst.
Die reiche Gestaltung wird durch eine Inschrift auf der Ostseite ergänzt, die die Entstehungszeit weiter eingrenzt und uns gleichzeitig die Menschen von damals näher bringt: FAUTH HANS BOHLER VALENTIUS SIGEL benennt die beiden Vögte (Fauth als altertümlicher Ausdruck für Vogt), die zwischen 1590 und 1613 bzw. 1619 in Haßloch lebten und möglicherweise die Stifter der Umgestaltung waren. Otto Frank berichtet in seiner Allgemeinen Beschreibung des gesamten Kirchenwesens in der protestantischen Pfarrei zu Haßloch von 1953, dass Anfang des 17. Jahrhunderts die zu klein gewordene Ulrichkapelle zur Kirche erweitert und die Arbeiten im Jahre 1607 abgeschlossen worden seien. Offenbar erfolgte damals auch eine dekorative Neugestaltung, die vermutlich auch den heute nicht mehr bestehenden Kirchensaal einschloss. Mit dem Neubau von Turm und Kirchenschiff 1700 und ab 1752 reagierte man schließlich auf die über Jahrhunderte stetig wachsende Gemeinde. Architektonisch lehnte man sich dem barocken Neubau an die nur 20 Jahre ältere lutherische Kirche in Haßloch an, was besonders an der Giebelfront mit Portal, Rundbogenfenstern und Okuli deutlich wird – ein weiterer Beleg für die engen regionalen Verflechtungen der Kirchenarchitektur in der Pfalz.
Ein Wegekreuz aus drei Jahrhunderten
Die drei derzeit eingelagerten Elemente des Wegekreuzes. Der vor einigen Jahrzehnten nachgebildete Sockel © GDKE, Landesdenkmalpflege, Niklas Underwood
Das Kruzifix von 1816 © GDKE, Landesdenkmalpflege, Niklas Underwood
von Niklas Underwood
Mit dem Spatenstich im Februar 2020 begann die Neugestaltung des Kreuzplatzes in Schifferstadt, bei der auch das als Weißes Kreuz bekannte Wegekreuz konserviert und restauriert wurde.
Das Wegekreuz, welches jahrzehntelang das Bild an der südlichen Spitze des Platzes prägte, ist dessen Schwerpunkt und wird es auch nach der Neugestaltung wieder sein. Angeregt durch das Bürgerinteresse an der Platzneugestaltung und das Engagement von Anwohnenden für ihr Weißes Kreuz, wurde auch die Landesdenkmalpflege zu den Planungen hinzugezogen. Mit dem Abbau und der temporären Einlagerung des Wegekreuzes ergab sich die einmalige Möglichkeit, das Objekt eingehender zu begutachten und hinsichtlich notwendiger Konservierungs- sowie Restaurierungsmaßnahmen zu untersuchen. Dabei musste leider festgestellt werden, dass der in der Denkmalliste aufgeführte Barocksockel, welcher das Kruzifix von 1816 trug, in einer undokumentierten Maßnahme bereits vor einigen Jahrzehnten durch eine Nachbildung ersetzt worden war. Erfreulicherweise konnte jedoch ein bis dato unbekanntes, profiliertes Sockelfundament entdeckt und geborgen werden. Über historische Fotografien ließ sich belegen, dass der barocke Sockel einst mit dem wiederentdeckten Fundament eine gestalterische Einheit bildete und noch in den 1960er Jahren ein sichtbarer Bestandteil des Denkmals war. In den nachfolgenden Jahrzehnten wurde nicht nur der barocke Sockel ausgetauscht, sondern es verschwand nach und nach auch das profilierte Fundament unter dem umgebenden Erdreich und blieb somit den Betrachtenden lange verborgen. Nach Abschluss der Restaurierungsmaßnahmen wird das Wegekreuz auf dem neugestalteten Platz wieder aufgestellt werden. Die Betrachtenden werden den historisch gewachsenen Bestand des Wegekreuzes nicht unbedingt direkt bemerken, aber mit dem wiederentdeckten Fundamentsockel wird auch das heute älteste erhaltene Element von 1650 wieder ein erlebbarer Bestandteil des Denkmals sein.
Start der Grundlagenerfassung des historischen Verkehrsweges LAHN in Rheinland-Pfalz von Diez bis Lahnstein
Kraftwerk Cramberg, Generatorengebäude der Lahnkraftwerke AG von 1927, 2018 © Alexandra Fink, GDKE, Landesdenkmalpflege
Ehem. Schleuse Hohenrhein (heute überstaut), Fußgängerbrücke über Lahn und Schleusenkanal, 2018 © Alexandra Fink, GDKE, Landesdenkmalpflege
Auslauf des Wasserkraftwerks Elisenhütte oberhalb von Nassau im Bereich der Wehranlage Hollerich, 2018 © Alexandra Fink, GDKE, Landesdenkmalpflege
Staustufe Nassau, Blick auf einen Teil der Wehranlage nach Ausfahrt aus der Schleuse, 2018 © Alexandra Fink, GDKE, Landesdenkmalpflege
Erfassung der Lahnschleusen und der Lahntalbahn
von Alexandra Fink
Nicht nur der Rhein, auch seine Nebenflüsse spielten als Verkehrswege stets eine wichtige Rolle und wurden seit dem 19. Jahrhundert für den Schiffsverkehr ausgebaut. Im April 2021 startete der Fachbereich Inventarisation der Direktion Landesdenkmalpflege mit der Grundlagenerfassung des historischen Verkehrsweges LAHN in Rheinland-Pfalz von Diez bis Lahnstein ein neues Projekt, das unsere Kenntnisse um den erhaltenen Baubestand der Wasserstraße in der historischen Kulturlandschaft erweitern wird.
Schwerpunkte der geplanten Erfassung stellen die verschiedenen historischen Ausbauphasen der Lahn vom 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dar, die im Rahmen der Grundlagenermittlung umfassend untersucht und dokumentiert werden sollen. Ziel ist es, auf der Basis der Untersuchungsergebnisse die erhaltenen historischen Anlagen der Lahnschleusen und der Lahntalbahn denkmalfachlich zu bewerten.
Schon im März sowie im Mai 2018 konnte die Landesdenkmalpflege gemeinsam mit den Kollegen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts (WSA) Mosel-Saar-Lahn aus Koblenz die baulichen und technischen Anlagen entlang der Lahn eingehend und vertieft besichtigen. Als Ergebnis dieser ersten Begehungen und Befahrungen hat die Denkmalfachbehörde die historischen Wehranlagen und Hochwasser-Sperrtore, wie alle Schleusen- und Wehranlagen sowie dazugehörigen Einrichtungen zur Energiegewinnung sowie die den Fluss und die Schifffahrt betreffenden historischen Zeugnisse im rheinland-pfälzischen Abschnitt der Lahn als Kulturdenkmäler erkannt.
Die Untersuchung wird insgesamt elf Schleusenanlagen zwischen Diez und der Lahnmündung in den Rhein bei Lahnstein dokumentieren, darunter zwei Schleusen aus der Ausbauphase des 19. Jahrhunderts in Nievern und Ahl, Niederlahnstein und Hohenrhein. Bestandteil der Erfassung sind auch neun Anlagen, die ab 1927 entstanden, darunter jene in Diez, Scheidt, Kalkofen, Hollerich, Nassau, Dausenau, Bad Ems und in Lahnstein. Die Dokumentation umfasst nicht nur die eigentlichen Schleusenanlagen, sondern auch die Wehre und verschiedene dem Schleusenbetrieb zugehörige Anlagen und Funktionsgebäude, Pegelhäuschen sowie Vorrichtungen und Bauten, die der Energiegewinnung dienten. Zu allen diesen Gebäuden und Objekten werden im Rahmen des Projektes Archivquellen, Daten und der Baubestand erfasst, dokumentiert und bewertet.
Zum Untersuchungsauftrag zählen zudem die erhaltenen Anlagen, die die Industrie- und Wirtschaftsgeschichte der Region am historischen Verkehrsweg Lahn überliefern, wie historische Verladestellen am Lahnufer sowie bauliche Uferbefestigungen in verschiedenen Flussabschnitten, aber auch die Lahntalbahn, die ab den 1860er Jahren entlang des Flusslaufes gebaut wurde. Von ihr haben sich Brückenbauwerke bei Altendiez / Fachingen, in Balduinstein, in Obernhof, Nassau und Lahnstein erhalten, neben weiteren Anlagen mit deren Funktionen.
Ziel der Untersuchung ist die differenzierte Darstellung der Denkmaleigenschaft der überkommenen Anlagen, die Abgrenzung des Schutzumfangs und die denkmalfachliche Bewertung durch die Landesdenkmalpflege. Die Untersuchung wird zudem detaillierte Informationen zur Bau- und Technikgeschichte am historischen Schifffahrts- und Verkehrsweg Lahn recherchieren und zusammenstellen. Die einzelnen Objekte sollen hinsichtlich ihres historischen Zeugniswertes sowie ihrer räumlichen Ausdehnung als Grundlage für die künftige Denkmalbegründung und Denkmalausweisung analysiert werden. Darüber hinaus sollen im Zuge einer auswertenden Kartierung die Schwerpunkte der historischen Überlieferung und des anschaulichen Zeugniswertes kartografisch dargestellt werden. Um die Recherchen und Untersuchungen vor Ort zu strukturieren, hat die Landesdenkmalpflege objektbezogen Erfassungs- und Aufnahmebögen entwickelt. Diese bilden die Muster für den Dokumentationsbogen zu den einzelnen Anlagen und Objekten.
Nach Abschluss des Projektes und der Bestimmung des Denkmalwertes dieser Anlagen sowie des historischen Verkehrswegs LAHN von Diez bis Lahnstein werden wir gern erneut von unseren Ergebnissen berichten.
Die Neufassung der Liebfrauenkirche in Worms - In strahlendem Gewand. Nur Farbe, Putz und Bautechnik?
Liebfrauenkirche Ansicht von Nordosten © Häret-Krug GDKE LD
Liebfrauenkirche Worms in Farbe © Häret-Krug GDKE LD
Von Weingärten umgeben, für deren Namen „Liebfrauenmilch“ die Kirche Pate gestanden hat, am östlichen Stadtrand von Worms in der Nähe des Rheins gelegen, präsentiert sich die Liebfrauenkirche, deren Ursprünge bis ins frühe Christentum zurück reichen, als ein herausragendes Zeugnis hoch- und spätgotischer Architektur in Rheinland-Pfalz. Die Bauzeit des heutigen Kirchengebäudes erstreckte sich über fast 200 Jahre, von 1276 bis 1465, was nicht nur dessen Ausmaßen geschuldet war – die Liebfrauenkirche ist die größte gotische Kirche in Rheinland-Pfalz –, sondern auch den wohl schwierigen Bauabläufen, musste doch beim Neubau Rücksicht auf ein Vorgängergebäude genommen werden.
Mit Sicherheit wurde der Vorgängerbau während der Bauarbeiten weiterhin genutzt, um die Kontinuität der Gottesdienstfeiern gewährleisten zu können. Denn die Liebfrauenkirche war das stark frequentierte Pilgerziel einer Marienwallfahrt. Das hohe Pilgeraufkommen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum dürfte auch den Anstoß zum Neubau einer größeren Kirche gegeben haben. Die aufwendigen Bauformen mit Sanktuariumsumgang im Osten und Zweiturmfassade im Westen zeugen von der Finanzkraft und den repräsentativen Ansprüchen der Bauherren. Auch die qualitätvolle, heute noch zum Teil vorhandene Ausstattung verweist auf die einstige Bedeutung der Liebfrauenkirche weit über die Stadtgrenzen von Worms hinaus.
Wie so viele Bauwerke der südlichen Landesteile wurde auch die Liebfrauenkirche im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 teilweise zerstört. Anders als die Mehrzahl der Kirchen wurde sie jedoch nicht barockisiert, sondern in ihren gotischen Formen wiederaufgebaut. Schon damals ein Zeichen des Traditionsbewusstseins und des Wissens um die historische Bedeutung des Bauwerks.
Ab 1860 erfolgten unter dem Mainzer Kreisbaumeister Ignaz Opfermann restauratorische Maßnahmen, die den damaligen Vorstellungen von einem mittelalterlichen Bauwerk Rechnung trugen: Die Westtürme der Liebfrauenkirche erhielten ein zeittypisches Erscheinungsbild mit hellen Putzflächen und dunkel abgesetzten Eckquadern.
Im Zuge der letzten Restaurierungskampagne erfolgte zwischen 2005 und 2010 erneut eine farbliche Veränderung an der Westfassade. Die Eckquaderung wurde nun zugunsten einer einheitlichen Farbfassung mit Fugenmalerei aufgegeben. Mit diesem Konzept versuchte man sich an historische Farbbefunde anzunähern, die sich bis heute im überdachten Bereich der Westtürme erhalten haben und die kräftigen Rotorange-Töne sowie den Rest eines Fugenstrichs zeigen. Allerdings erschien der dominante Rotton damals offenbar als zu gewagt, weshalb bei der Umsetzung der Farbgebung ein kühler Roséton vorgezogen wurde.
Aufgrund erheblicher Schäden startete im Jahr 2018 am Nordquerhaus erneut eine Instandsetzungsmaßnahme, die in den kommenden Jahren um sämtliche Fassaden herumgeführt werden soll. Die steinsichtigen Oberflächen des Eisenberger Sandsteines zeigen starke Verwitterungsspuren und großflächige Abplatzungen, der Putz im Bereich des Obergadens liegt an vielen Stellen hohl, sodass umfangreiche Sanierungen unumgänglich sind.
Vor Beginn der Maßnahme wurden Bauforscher hinzugezogen, die die Steinoberflächen begutachteten, Bearbeitungsspuren kartierten und Bauabschnitte verfolgten, um mehr über den Entstehungsprozess der Liebfrauenkirche zu erfahren. Anhand der Steinformate und der Bearbeitung der Oberflächen konnten die Bauforscher unter anderem nachweisen, dass Baumaterial aus dem Vorgängerbau in der Nordquerhausfassade wiederverwendet wurde.
Ein Restaurator konnte bei einer erneuten Untersuchung der Fassadenoberflächen ebenfalls die bereits vor 15 Jahren am Westteil der Kirche festgestellte historische Farbigkeit – also jenen kräftigen Rotorange-Ton – auch für das Nordquerhaus bestätigen.
Nach intensiven Diskussionen entschieden die Verantwortlichen der kirchlichen und staatlichen Denkmalpflege, bei der jetzigen Maßnahme nicht das vor 15 Jahren eingeführte Farbsystem weiter zu verfolgen, sondern das historisch überlieferte Erscheinungsbild zum Vorbild zu nehmen, die Fassaden zu verputzen und in dem restauratorisch belegten Rotorange-Ton zu fassen. Auf die Fassung wurde in Anlehnung an den Befund ein Fugenbild in heller Tönung aufgebracht.
Mit dieser Vorgehensweise wurde eine gut begründete Grundsatzentscheidung getroffen, die das Leitbild für die noch anstehenden Bauabschnitte definiert. Zwar wird dadurch bewusst in Kauf genommen, dass sich die Westteile der Liebfrauenkirche nach fertiggestellter Gesamtsanierung erst einmal vom Rest der Kirche deutlich unterscheiden werden, dennoch stellten die an mehreren Stellen belegbaren historischen Farbbefunde für alle Beteiligten eine Verpflichtung zur Wiederherstellung des mittelalterlichen Erscheinungsbildes dar.
Nach Abschluss der Sanierung wird die in ihrer einstigen, leuchtend mittelalterlichen Farbigkeit erstrahlende Liebfrauenkirche dann noch mehr als bisher den Blick vom Rhein auf die Stadt dominieren und ihre Stellung als ehemals wichtige Pilgerkirche unterstreichen.
Katinka Häret-Krug
GDKE, Landesdenkmalpflege, Praktische Denkmalpflege
Diana Ecker
Kirchliche Denkmalpflege Bistum Mainz, Konservatorin
Der Kirchturm der evangelischen Kirche von Hennweiler
Der Kirchturm von Hennweiler vor dem Rückbau des kleinen Anbaus am Fuß des Turmes © GDKE, Landesdenkmalpflege, Fotoarchiv
Baualtersplan der Südseite des Kirchturms mit Eintragung der romanischen Priesterpforte (links) und der jüngeren Pforte rechts davon © Dr. Marzena Kessler, Trier. Plangrundlage: Alwin Bertram, Architekt, Rüdesheim a. N.
Der Innenraum mit der romanischen Priesterpforte rechts und der jüngeren Pforte links © Marco Heeg, GDKE, Landesdenkmalpflege
von Jutta Hundhausen
Bauhistorische Untersuchungen erbrachten jüngst neue Erkenntnisse über die Baugeschichte des romanischen Kirchturms in Hennweiler.
Die evangelische Kirche von Hennweiler, ehemals St. Stephan, liegt auf einer leichten Erhöhung im historischen Ortskern. Schon rein äußerlich fallen drei Hauptbauphasen auf: Der im Kern romanische Chorturm mit seinem spätgotischen Dach samt kleinen Ecktürmchen sowie das barocke Langhaus, das 1790/1791 errichtet wurde.
Eine Kirche in Hennweiler wird zwar erstmals 1317 erwähnt, anhand stilistischer Vergleiche lässt sich der Kirchturm jedoch bereits in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts datieren. Ein erster Kirchenbau kann indessen schon für das frühe 11. Jahrhundert angenommen werden. Denn der Ort wird 992 erstmals erwähnt, als König Otto III. ein königliches Hofgut in Hanenwilare (Hennweiler) an das von Erzbischof Willigis gegründete Stift St. Stephan in Mainz überträgt. Der Mainzer Erzbischof, damals Vormund des noch unmündigen Königs, sicherte damit nicht nur die Lebensgrundlage des Stifts sondern betrieb zugleich den Landesausbau im Grenzgebiet zu den Diözesen Worms, Trier und Reims.
Nachdem bereits vor fünfzig Jahren im ehemaligen Chor eine Rundbogenpforte entdeckt worden war, kam 2018, nach dem Abriss eines kleinen jüngeren Anbaus, eine romanische Priesterpforte auf der Außenseite zum Vorschein. Ihr baulicher Kontext wies auf größere Veränderungen im Turm hin, sodass der Fachdienst Bauforschung der Landesdenkmalpflege eine bauhistorische Untersuchung durch die Bauhistorikerin Dr. Marzena Kessler (Trier) durchführen ließ. Die Vermessung des Befunds übernahm Marco Heeg (Fachdienst Bauforschung). Es konnte festgestellt werden, dass der Kirchturm in zwei Bauphasen entstanden ist. So ergab eine dendrochronologische Untersuchung, dass nach einem schweren Brand der romanische Turm um 1436 wiederaufgebaut wurde. Das romanische Mauerwerk wurde dabei im Westen vollständig bis an die Traufe und an einem Teil der Südwand erhalten. An dieser Stelle, im Bereich des ursprünglichen Chors, wurden nun eine romanische Priesterpforte mit Dreiviertel-Rundstab und Würfelkapitell sowie ein monolithisches Rundbogenfenster freigelegt. Es stellte sich heraus, dass beim Wiederaufbau des Turmes nicht nur – soweit möglich – die alte Bausubstanz und die Kubatur übernommen wurde, sondern auch Werksteine und Architekturelemente des romanischen Vorgängerbaus an verschiedenen Stellen wiedereingesetzt wurden. Den Innenraum des Chores hatte man allerdings neugestaltet. Er erhielt ein Kreuzrippengewölbe mit aufwendigen Malereien, die das Martyrium des Hl. Stephan zeigen. Die Süd- und die Nordwand wurden mit Segmentbögen abgefangen, die Priesterpforte vermauert.
Wieso jedoch die Glocke die Inschrift „1428“ trägt und die aufwendigen Ecktürmchen erst 1476, wie eine ältere dendrochronologische Untersuchung belegt, folgten, kann derzeit bauhistorisch nicht geklärt werden.
Weitere Veränderungen am Chor datieren in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, die eventuell im Zusammenhang mit der Einführung der Reformation durch die Ritter von Schwarzenberg stehen. So wurde u. a. eine zweite Pforte in die Südwand des Chores eingefügt und wahrscheinlich der Innenraum umgestaltet. Spätestens 1790/1791, als das baufällige Langhaus erneuert und der Chor vom Turm ins Langhaus verlegt wurde, vermauerte man auch diese Pforte. Die zuvor im Langhaus aufgestellten Grabplatten, die überwiegend den Rittern von Schwarzenberg zuzuordnen sind, wurden nun in den ehemaligen Chor im Turm transferiert und im Osten – an jener Stelle, an der einst der Altar gestanden hat – wurde ein neuer Zugang geschaffen. Die romanische Priesterpforte geriet über all diese Veränderungen in Vergessenheit, deren Wiederentdeckung den neuen Erkenntnissen zur Baugeschichte des Chorturms von St. Stephan in Hennweiler zu verdanken ist.
Kunst in der „Kanzlersauna“
Ludwigshafen, Hallenbad Nord, Mosaik mit den Elementen Wasser und Luft © Claudia Gerner-Beuerle, GDKE, Landesdenkmalpflege
Ludwigshafen, Hallenbad Nord, Saunabereich, Moasik mit den Elementen Feuer und Erde © Claudia Gerner-Beuerle, GDKE, Landesdenkmalpflege
Detailaufnahme eines Fisches aud der Darstellung des Elementes "Wasser" © Claudia Gerner-Beuerle, GDKE, Landesdenkmalpflege
von Claudia Gerner-Beuerle
Aufwendige Wandgestaltungen aus Naturstein mit intarsierten Mosaiken gehören zur Ausstattung des ehemaligen Hallenbads Nord in Ludwigshafen, einem der eindrucksvollsten Schwimmbadbauten der Nachkriegsmoderne von Rheinland-Pfalz.
Die Wandbilder mit der Darstellung der vier Elemente Wasser, Luft, Feuer und Erde in der Abteilung Hydrotherapie wurden 1956 von Rolf Müller-Landau geschaffen. Müller-Landau (1903–1956) gilt als einer der bedeutendsten Künstler nach 1945 im Südwesten Deutschlands und war zudem Mitbegründer der Künstlergruppe Pfälzer Sezession. Eigens für die Sauna in Ludwigshafen entwarf er die Motive, die die bayerische Hofkunstanstalt als Mosaiken realisierte. Da der ehem. Bundeskanzler Helmut Kohl als gebürtiger Ludwigshafener die Sauna des Hallenbades regelmäßig und gerne nutzte, wird sie im Volksmund auch „die Kanzlersauna“ genannt.
Insgesamt ist das Schwimmbad, das von dem Architekten Prof. Heinrich Schmitt als Vierflügelanlage mit begrüntem Innenhof konzipiert wurde, ein echter „Hochkaräter“. Die leichte, großzügige und lichtdurchflutete Anlage besticht durch ihre bis ins kleinste Detail sowohl funktional als auch in ästhetischer Hinsicht wohldurchdachte Organisation und Gestaltung. Außer der Schwimmhalle wurden alle anderen Gebäudeteile als Stahlbetonkonstruktion mit Rippendecken ausgeführt. Die Auswahl der zur Anwendung gekommenen Materialien – Glas, Stahl, Klinkersteine, Naturstein und Fliesen – als auch das Farb- und Lichtkonzept des Baus bewirken ein schlichtes aber elegantes Erscheinungsbild und erzeugen den Eindruck zeitloser Modernität.
2001 musste das Bad jedoch aufgrund von gestiegenen Hygieneanforderungen und veralteter Technik schließen und stand schließlich über ein Jahrzehnt leer. Erst im Jahre 2015 fand sich ein neues Nutzungskonzept für das große Becken der Schwimmhalle. Seither dient es als Löschwasserreservoir für das nahe gelegene Müllheizkraftwerk. Die verbleibenden Gebäudeflügel wurden später durch die Technischen Werke Ludwigshafen erworben, die bereits einen Großteil der Flächen erfolgreich als Existenzgründerzentrum nutzen. Das seit 2009 unter Denkmalschutz stehende Bauwerk wurde im Zuge der Umsetzung des neuen Nutzungskonzeptes sukzessive saniert. Als letzter Bauabschnitt ist derzeit der ehemalige Saunaflügel in Arbeit, der auch die Konservierung der Mosaikwandbilder einschließen soll. Die Natursteinplatten aus gräulich-grünem Fossilkalkstein sowie die farbig intarsierten Mosaikmotive entwickelten durch den jahrzehntelangen Einfluss chlorhaltiger Luft, durch Spritzwasser und Reinigungsmittel mikro-raue Oberflächen. Insbesondere im unteren Drittel der Wandbilder zeigen sich deutliche Kalkkrusten oder Grauschleier. Vereinzelt ist es im Stein-, aber auch im Mörtel der Mosaiksteine zu Rissen und Brüchen gekommen. Infolge der Korrosion der Aufhängungsdorne sind Ausbrüche und gravierendere Schäden im inhomogenen Gestein der Natursteinplatten zu verzeichnen und vereinzelt fehlen innerhalb der Bildmotive Glasmosaiksteine. Die Konservierungsmaßnahme befindet sich aktuell in der Planungsphase und soll möglichst zeitnah erfolgen.
Es bleibt zu hoffen, dass diese künstlerisch sehr qualitätvolle Wanddekoration in der typischen, leicht abstrahierten Formensprache der 50er Jahre, die ursprünglich als Kunst im öffentlichen Raum für eine breite Öffentlichkeit gedacht war, nach den Restaurierungsarbeiten wieder für interessierte Bürger zugänglich sein wird.
Die Restaurierung der Klosterkirche Kamp-Bornhofen – Barocker Glanz für den Kirchenraum
Kamp-Bornhofen, Klosterkirche nach Fertigstellung der Restaurierungsarbeiten, Blick nach Westen © Katinka Häret-Krug, GDKE, Landesdenkmalpflege
Klosterkirche vor der Restaurierung © Stefan Klöckner, Biebergemünd
Gnadenkapelle, Stuckaturen © Katinka Häret-Krug, GDKE, Landesdenkmalpflege
von Katinka Häret-Krug
Verrußt und dunkel präsentierte sich der Innenraum der Klosterkirche in Kamp-Bornhofen. Abertausende von Opferlichtern hatten die Wandoberflächen der Wallfahrtskirche im Laufe der Jahre ziemlich unansehnlich werden lassen. Um das Erscheinungsbild aufzufrischen, entschieden sich der Franziskanerkonvent als Nutzer sowie die kirchliche und staatliche Denkmalpflege für eine Restaurierung.
Die zu Ende des 14. Jahrhunderts errichtete zweischiffige Halle folgt einem eher ungewöhnlichen, im Moselraum sowie am Mittelrhein jedoch verbreiteten Bautypus. 1435 wurde die Kirche – wie eine heute verloren gegangene Inschrift besagte – vermutlich vollendet. Änderungen an der gotischen Raumgestalt erfolgten im Barock, nachdem der Trierer Erzbischof Johann Hugo von Orsbeck 1679 Kapuziner zur Betreuung der in Kamp-Bornhofen beheimateten Marienwallfahrt berufen hatte. Im Jahr 1687 wurden die Gnadenkapelle an der Nordseite angebaut und im Kirchenschiff große, in Stuck ausgeführte, von Laub umkränzte Schlusssteine in den Gewölbescheiteln eingebracht. Ein Großbrand, der 1949 den historischen Dachstuhl der Kirche und weite Teile der Klostergewölbe vernichtete, hatte zum großen Glück keine erheblichen Auswirkungen auf den Innenraum.
Bei der letzten Restaurierung im Jahr 1984 erhielt der Innenraum eine farbige Fassung in gebrochenem Weiß für die Wände sowie Sandsteinrot für die Architekturgliederung. Man hielt dies damals für die barocke Fassung. Die jetzige Restaurierung, die durch eine restauratorische Befunduntersuchung vorbereitet wurde, brachte aber eine vollkommen anders geartete Farbigkeit zum Vorschein. In den Fenstergewänden und hinter dem Altar konnten Fassungsreste gefunden werden, die belegen, dass die Kirche im Barock zwar gebrochen weiße Wände hatte. Die Architekturgliederung mit den Gewölberippen, Schlusssteinen und Fenstergewänden wies jedoch einen kräftigen blauen Farbton auf, der passend durch einen Grauton akzentuiert wurde. Es konnte zudem restauratorisch nachgewiesen werden, dass die Laubkränze der Schlusssteine teilversilbert waren.
Die neuen restauratorischen Ergebnisse überzeugten alle am Projekt Beteiligten direkt davon, dass eine angemessene Neufassung nur in dieser prächtigen Farbgebung erfolgen konnte. Der bislang düstere Kirchenraum erstrahlt heute hell in Weiß, Blau und Grau und vermittelt so den Eindruck des festlichen barocken Charakters, der die Gläubigen als Ziel der Wallfahrt und während des Gottesdienstes nun wieder umfängt.
Die 1687 nördlich an die Kirche angebaute Gnadenkapelle wurde im Zuge der Maßnahme ebenfalls restauriert. Auch hier erfolgte zuerst eine Befunduntersuchung. Unter vielen Farbschichten kam desgleichen die Ursprungsfassung des späten 17. Jahrhunderts zum Vorschein. Die bislang in teilweise „schreienden“ Farben gefassten Stuckaturen waren ursprünglich weiß und nur dezent mit Gold abgesetzt. Auch in diesem Fall fiel die Entscheidung für die Rekonstruktion der bauzeitlichen Farbigkeit. Während der Freilegung wurde schließlich sichtbar, welch außerordentliche Qualität die Stuckaturen der beiden Künstler Nicolao Carcano und Francesco Rezio aus dem Jahr 1687 haben, die beide unter anderem auch in Ehrenbreitstein tätig waren. Die feinen und trotzdem sehr plastischen Stuckarbeiten waren durch die vielen Farbschichten der vergangenen Jahrhunderte regelrecht zugekleistert gewesen. Durch die Freilegung haben sie, wie die gesamte Kirche, wieder ihre barocke Strahlkraft und Eleganz erhalten.
Neue Erkenntnisse zur Baugeschichte der Burg Wernerseck bei Ochtendung
Burg Wernerseck, Gesamtansicht © Georg Peter Karn, GDKE, Landesdenkmalpflege
Schießscharte mit rechteckiger Eintiefung, die zur Aufnahme eines Widerlagerholzes für Feuerwaffen diente © Büro für Historische Bauforschung Frank und Mielke, 2017
Machtanspruch und Zeitenwende
von Esther Klinkner, GDKE, Landesdenkmalpflege, Praktische Denkmalpflege
Von Autobahn, Gewerbegebieten und Gesteinsabbau umgeben, ragt zwischen Ochtendung und Plaidt die Burgruine Wernerseck hoch über einer Schleife des Nettebachs auf. Dominiert von einem mächtigen und gut erhaltenen, viergeschossigen Wohnturm sowie einer hoch aufragenden Ringmauer thront sie hier auf einem steilen Felssporn. Bis heute birgt ihre Geschichte aber noch viele Geheimisse.
Im Rahmen der jüngst erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen konnten nun aber durch das Bauforscherbüro Frank & Mielke aufschlussreiche neue Erkenntnisse zur Baugeschichte gewonnen werden, die mithilfe dendrochronologischer Altersbestimmungen von Gerüsthölzern die bisher angenommene Bauzeit sowie die Bauphasen präzisieren.
Die Errichtung der Burganlage wird dem Trierer Erzbischof Werner von Falkenstein (1388–1418) zugeschrieben, welcher in heftiger Rivalität zum benachbarten Kölner Erzbischof stand. Die Fertigstellung des Bergfrieds konnte auf 1394 datiert werden. Allerdings ist der ausgewählte Bauplatz ungewöhnlich. Die schmale Landzunge, die hoch über dem Bachtal aufragt, wurde nicht wie üblicherweise am höchsten Punkt bebaut, sondern etwas abgerückt an einer tiefergelegenen Engstelle.
In einer zweiten Bauphase wurde 1408 der östliche Teil der mächtigen Ringmauer fertiggestellt. Diese richtet sich gegen den heute freien Platz auf der Landzunge. Die neuen Untersuchungen zeigen im nördlichen Bereich auf der Feldseite dieser Ringmauer Befunde, die als Vorbereitung zur Errichtung einer Toranlage interpretiert werden können. Da das heute freie Plateau auf der Landzunge nur durch die Burg Wernerseck erreichbar ist, stellt sich die Frage, warum eine so wehrhafte Befestigungsmauer gegen einen nahezu unzugänglichen Platz errichtet wurde. Vorgeschichtliche und spätrömische Siedlungsspuren konnten durch die Direktion Landesarchäologie bereits 2011 auf der Freifläche nachgewiesen werden. Doch was war am Ende des 14. Jahrhunderts? Stand hier womöglich eine andere Anlage? Dies sind Fragen, die bis heute nicht beantworten werden können und so gibt der Bauplatz weiterhin Rätsel auf.
Der Burgplatz war vermutlich bei Baubeginn noch im Besitz des Grafen Ruprecht IV. von Virneburg und soll erst 1402 an Werner von Falkenstein abgetreten worden sein. Ein Rechtsstreit zwischen den Erzbischöfen von Köln und Trier über den Burgneubau entschied sich wahrscheinlich erst im Frühjahr 1409 zugunsten von Werner. Auch wenn Burg Wernerseck als eine der letzten rheinischen Höhenburgen vom Trierer Erzbischof als Grenzfeste begonnen wurde und zur Zementierung seines Machtanspruches gegen den Kölner Erzbischof diente, so ist an ihr eine Zeitenwende ablesbar, die den gesamten Burgenbau fundamental verändern sollte: die Erfindung der Feuerwaffen.
Der süd-östliche Rundturm der Ringmauer, dessen Schießscharten bauzeitlich mit einem Widerlagerholz für den Gebrauch von Handfeuerwaffen ausgestattet waren, wurde ebenfalls im Jahr 1408 errichtet. Die erst aufkommenden Feuerwaffen stellten die High-Tech-Waffen jener Zeit dar, selten und kostspielig, konnte sich nicht jeder diese leisten. Zumal sie neben ihrer Anschaffung auch teure bauliche Anpassungen erforderlich machten. Es ist daher davon auszugehen, dass Erzbischof Werner von Falkenstein, der bereits an anderen Objekten Erfahrung mit Feuerwaffen gesammelt hatte, diese auf Burg Wernerseck gezielt zur Machtdemonstration und Abschreckung einsetzte. Ob dies einen Einfluss auf die Beilegung des Rechtstreits mit seinem Kölner Rivalen im Jahr 1409 hatte, ist reine Mutmaßung.
In weiteren, gut ablesbaren Bauabschnitten wurde die Ringmauer zuerst 1411 und dann 1417 erweitert. Unter der Vielzahl von Funden zeigt insbesondere der Befund an der Mauerkrone der südlichen Ringmauer, trotz allgemeinen Verfalls der Burg, den noch immer guten Erhaltungszustand der Ruine. Neben großen, auskragenden Steinplatten, die Teil des Wehrgangs waren, haben sich hier Reste eines bauzeitlichen Estrichs erhalten.
Der sogenannte Wohn- oder Wirtschaftsbau sowie die Vorburg konnten noch nicht genauer datiert werden.
So wichtig die Burg Wernerseck bei Ihrer Erbauung war, verlor sie doch im Laufe der Zeit an Bedeutung. Die seit 1542 im Besitz der Grafen von Eltz zu Langenau befindliche Anlage verfiel vermutlich ab Mitte des 17. Jahrhunderts.
Burg Wernerseck konnte durch die von 2017 bis 2019 vorbildlich und behutsam durchgeführten Arbeiten für kommende Generationen bewahrt werden. Neben den Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten wurde auch eine dauerhafte Erschließung des Bergfrieds neu geschaffen. Die Arbeiten wurden durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Denkmalschutzsonderprogramm der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, dem Investitionsstock Förderprogramm des Landes Rheinland-Pfalz sowie durch die Direktion Landesdenkmalpflege der Generaldirektion Kulturelles Erbe gefördert.
Untersuchung und Restaurierung der Außentore von Burg Eltz
Burg Eltz, Eingangsseite mit Haupttor © Georg Peter Karn, GDKE, Landesdenkmalpflege
Innenseitige Rahmenkonstruktion des Haupttors mit verwittertem, oxidroten Anstrich © M. Hammer, GDKE, Landesdenkmalpflege
Außenseite des Haupttors mit Holzergänzungen und rekonstruierten Holznägeln, nach Freilegung und Regenerierung des ursprünglichen, schwarzen Anstriches © M. Hammer, GDKE, Landesdenkmalpflege
von Martin Hammer
Burg Eltz gehört zu den besterhaltenen mittelalterlichen Burganlagen in Rheinland-Pfalz. Bei den seit Jahren laufenden Restaurierungsarbeiten kommt es immer wieder zu Entdeckungen. Nun konnte für eines der Außentore ein überraschend hohes Alter ermittelt werden.
Die Baugeschichte von Burg Eltz reicht bis ins hohe Mittelalter zurück, prägende bauliche Veränderungen wurden zuletzt im 19. Jahrhundert vorgenommen. Von dieser langen Geschichte zeugen auch die vier Außentore, die derzeit restauriert werden.
Zu ihnen zählen das Haupttor und das Moselkerner Tor an den äußeren Zugängen zur Burg. Durch eine Inschrift sind die baugleichen Tore eindeutig auf 1893 zu datieren. Sie beeindrucken durch ihre archaisch wirkenden Eichenholzkonstruktionen mit schweren, geschmiedeten Eisenbeschlägen.
Das Schellentor und das Kläppchentor an den inneren Zugängen zum Burghof weisen noch schlichtere, gröber gearbeitete Konstruktionen auf, ihre Entstehungszeit war bislang unklar.
Die Toranlagen sind in ständiger Nutzung. In der Vergangenheit erfolgten Reparaturen und konstruktive Veränderungen, zuletzt hatten Witterungseinflüsse den Toren aber stark zugesetzt. Insbesondere das Kläppchentor und das Moselkerner Tor befanden sich in einem sehr schlechten Erhaltungszustand und bedurften dringend umfassender Konservierungsmaßnahmen.
Es erfolgte zunächst eine eingehende restauratorische Untersuchung der Tore hinsichtlich ursprünglicher Technologie, späterer Veränderungen, Schadensbildern und Schadensursachen. Mittels Dendrochronologie – einer vergleichenden Analyse gemessener Jahrringkurven – konnte das Schellentor inzwischen auf eine vermutliche Entstehungszeit um 1500(!) datiert werden. Anhand vorgenommener Farbschichtanalysen wurden für die Außentore ursprüngliche, schwarze Anstriche festgestellt. Zusätzliche Informationen konnten über Bildrecherchen gewonnen werden.
Ziel der jetzt durchgeführten Maßnahmen ist die weitgehende Erhaltung der historischen Substanz. Nur wo statisch notwendig, soll abgängiges Material nach Abwägung entfernt und neu ergänzt werden. Historische Veränderungen, Nutzungs- und Alterungsspuren sollen weiterhin ablesbar bleiben. Eine besondere Herausforderung stellt dabei u. a. das Handling der besonders schweren und großen Objekte dar.
Haupttor und Schellentor sind inzwischen fertiggestellt und wieder eingebaut, die Montage des Moselkerner Tors und des Kläppchentors soll in der Besucherfreien Winterpause erfolgen.
Ein einzigartiges Stadtdenkmal nachqualifiziert – Das „Historische Kurbad Bad Ems“ neu in der Denkmalliste
Blick auf das historische Kurbad vom Concordiaturm © D. Krienke, GDKE, Landesdenkmalpflege
Kursaal, Kurbrücke und Uferpromenade © D. Krienke, GDKE, Landesdenkmalpflege
russisch-orthodoxe Kirche, Schloss Balmoral, Villen und Henriettensäule © D. Krienke, GDKE, Landesdenkmalpflege
von Dieter Krienke
Bad Ems präsentiert durch seine prachtvolle Lage an der Lahn und seine anspruchsvollen Bauten eines der eindrücklichsten Stadtbilder in Rheinland-Pfalz. Im Kontext des Welterbeantrags „Great Spas of Europe“ stellte sich heraus, dass eine Nachqualifikation der Flächendenkmäler durchaus zielführend wäre. Denn die sukzessiven Teilausweisungen von Denkmalzonen der letzten Jahrzehnte bildeten die Bedeutung des einzigartigen Stadtdenkmals nur ansatzweise ab.
Die Aktualisierung der Flächendenkmäler hatte die Definition einer einheitlichen Denkmalzone „Historisches Kurbad Bad Ems“ zum Ergebnis. Neu berücksichtigt wurden dabei die grundlegende Relevanz der Lahn für den historischen Stadtraum und jetzt vollumfänglich auch das Villenviertel links des Flusses, ergänzt um Arrondierungen etwa mit Bahnhof und Bohrturm als wichtige Zeugnisse des einstigen Kurwesens. Auf breiter empirischer Grundlage konnte die Denkmalbegründung revidiert und erstmals eine Liste der denkmalbegründenden Elemente erstellt werden.
Der Denkmalwert des erst nassauischen, dann preußischen Kurbades resultiert aus der herausragenden Bedeutung für die europäische Kulturgeschichte des Badewesens, das hier in einer lückenlosen Kontinuität seit dem späten Mittelalter steht. Das „Weltbad“ des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, mit dem sich politische Ereignisse von Tragweite verbinden, zog internationale Persönlichkeiten aus Hochadel und Großbürgertum, aus Politik, Wirtschaft und Kulturleben an. Bad Ems zeigt den Grundriss einer typisch europäischen Kurstadt des 19. Jahrhunderts bei weitgehender Geschlossenheit der Baustruktur des 17. bis frühen 20. Jahrhunderts: Die Stadtgestalt, eingefasst von einer eindrucksvollen Landschaftskulisse, ist somit im Erscheinungsbild der Belle Époque erlebbar geblieben. Als überaus bemerkenswert erweist sich die Ablesbarkeit der Entwicklung des Städtebaus sowie der Konjunkturen des Kurbetriebes. Die flussübergreifenden attraktiven Blickbeziehungen und Sichtachsen, die funktionale bzw. auf ein malerisches Stadtbild im Sinne der Romantik und des Späthistorismus abzielende räumliche Ordnung machen das Kurbad zum hochrangigen Zeugnis des städtebaulichen Gestaltungswillens. Als besondere Höhepunkte präsentieren sich die im Fluss gespiegelte Lahnfront mit Kurgebäuden samt Gärten wie auch die wirkungsvolle Höhenstaffelung der Villen und Sakralbauten dem gegenüber. Die überkommenen Bauten, oft überragender Qualität, ermöglichen die Nachvollziehbarkeit der kunstgeschichtlichen Entwicklung hinsichtlich spezifischer Bautypologie bis hin zu Details und Stilwahl, ebenso des historischen Kurwesens durch Ablesbarkeit der Funktionszusammenhänge (Badebezirk, Flanierräume, Geschäftsstraßen, öffentliche Bauten). Von hohem kulturhistorischen Zeugniswert ist die Sozialtopographie der saisonalen Beherbergung, die sich in der Hierarchie klar definierter Bereiche und Bautypen widerspiegelt: Die prächtigen Hotels liegen rechts der Lahn nächst Kurhaus und Kursaal sowie im Karree am Bahnhof. Beiderseits des Flusses finden sich Logierhäuser in Zeilenbauweise. Davon heben sich die Villenviertel deutlich ab. Konfessionelle und nationale Zusammensetzung des Kurpublikums erschließen sich durch eine stadtbildprägende Sakraltopographie.
Mauerinstandsetzung auf der Zitadelle in Mainz
Mainz, Zitadelle, Gerüst mit weihnachtlichter Beleuchtung © Florian Völkel, Mainz
Mainz, Zitadelle © Georg Peter Karn, GDKE, Landesdenkmalpflege
Traverse 2017–18, Mauerkrone Vorzustand 2017 © Markus Fritz-von Preuschen, GDKE, Landesdenkmalpflege
Die Mainzer Zitadelle gehört zu den bedeutenden barocken Festungsanlagen in Deutschland. Seit 2017 wird an der Instandsetzung ihrer Mauern gearbeitet.
Die regelmäßige Rechteckanlage mit ihren vier Eckbastionen aus Kalkstein- und Sandsteinmauerwerk entstand in ihrer jetzigen Form zwischen 1655 und 1661. Die architektonisch anspruchsvolle rheinseitige Toranlage ist mit der Jahreszahl 1660 bezeichnet und wird dem bekannten italienisch-fränkischen Barockbaumeister Antonio Petrini zugeschrieben. Der palastartige, von Seitenrisaliten eingefasste Kommandantenbau wurde 1696 errichtet und nach Aufstockung 1833 sowie Kriegszerstörung 1950 in seiner ursprünglichen Form als zweigeschossiger Mansarddachbau wiederhergestellt. Die als Denkmalzone geschützte Gesamtanlage wird durch die Zitadellkaserne von 1861, die Doppelkompaniekaserne von 1914 und weitere Bauten aus dem frühen 20. Jahrhundert abgerundet.
Den Auftakt der Gesamtinstandsetzung der Zitadelle, die im Eigentum der Gebäudewirtschaft Mainz steht, bildete 2017/2018 die Musterinstandsetzung der Traverse bei der Bastion Germanikus. Hier wurden die Techniken und Materialien erprobt und die Kosten der Instandsetzung ermittelt. Für die Fugeninstandsetzung entschied man sich letztendlich für das Trockenspritzverfahren mit anschließender Nachreinigung. Hauptpunkt war die Aufgabe, die Belange von Naturschutz und Denkmalschutz zu verbinden, nachdem über Jahre ein für den weiteren Erhalt der Zitadelle kritisches Patt zwischen den konträr vertretenen Anliegen geherrscht hatte. Für die 2019 begonnene schrittweise Regelsanierung weiterer Bauabschnitte wurde letztlich folgendes Vorgehen entwickelt:
- Regelmäßige Koordinierungssitzungen mit allen Projektbeteiligten.
- Mauerwerksinstandsetzung unter Berücksichtigung einzelner ökologischer Schutzbereiche/Inseln, später Streifen in der Mauerfläche. Aus den Erfahrungen der Traverse entstand das Konzept, Vegetationsstreifen in weitgehend unbeschädigten Mauerwerksbereichen beizubehalten, von denen aus sich die wertvolle und geschützte Fauna und Flora wieder in die instandgesetzten Mauerbereiche ausbreiten kann.
- Maßnahmenbegleitende Bauforschung zur weiteren Erforschung der Baugeschichte
Schon bei der Instandsetzung der stadtseitigen Mauerzüge wurden die Vegetationsinseln zu Vegetationsstreifen vergrößert. Auch stellte sich heraus, dass eine steingenaue Dokumentation aufgrund der gewaltigen Dimensionen der folgenden Bauabschnitte nicht umsetzbar war. Konzeptionell hat sich die enge Abstimmung der Bauabschnitte durch das erfahrene Ingenieurbüro Kayser & Böttges, Barthel & Maus mit den Denkmalbehörden und der Naturschutzbehörde bewährt. Hierdurch werden Konflikte vermieden. Entsprechend lassen sich Ausgleichsflächen mit neuer strauchartiger Vegetation unter Einrichtung von Wartungswegen so platzieren, dass die Baumaßnahmen dadurch nicht eingeschränkt werden.
Zwischen 2018 und 2020 konnte mit diesem Verfahren ein großer Bereich in der Kurtine entlang der Windmühlenstraße instandgesetzt werden, deren Mauerwerk besonders stark zerstört war. Die Erklärung konnte über Quellenforschung gefunden werden: Ein Brand der hier zur Futterversorgung für die Militärpferde untergebrachten Rau-Fourage-Scheunen hatte um 1900 durch seine enorme Hitze das Gefüge der Kalksteine geschädigt. Aus diesem Grunde musste erheblich mehr Mauermaterial als ursprünglich beabsichtigt ausgetauscht werden. Im Rahmen der Untersuchungen stellte sich zusätzlich heraus, dass gerade die Reparaturen des 20. Jahrhunderts mit zementhaltigen Mörteln zum weiteren Verfall der Mauern beigetragen haben, weil sich hinter den zu dichten Verfugungen Wasser- bzw. Eissäcke bildeten, die nicht abgeführt werden konnten. Das in der kalten Jahreszeit gefrierende, im Volumen vergrößerte Wasser führte zur substanziellen Schädigung größerer Mauerpartien.
Für das Jahr 2021 ist beabsichtigt, die Instandsetzung weiterer Mauerzüge oberhalb und unterhalb des Spielplatzes an der Windmühlenstraße mit den Bastionen Alarm und Tacitus durchzuführen, so dass die unschönen Netzabsicherungen zurückgebaut werden können. Auch hier wird eine Erneuerung des Brüstungsmauerwerks notwendig sein, das aufgrund der entfernten Wasserspeier durch unkontrollierten Wassereintrag erhebliche Schäden aufweist. In den Flächen werden zur statischen Sicherung Klebeanker eingesetzt, die der Rückverankerung des Mauerwerks dienen. Wenn der Zeitplan eingehalten werden kann, könnte die Nordwestseite der Zitadelle bis Ende nächsten Jahres instandgesetzt sein und ein weiterer wichtiger Bauabschnitt abgeschlossen werden.
Dr.-Ing. Markus Fritz-von Preuschen
Junge Denkmäler der Wohnhausarchitektur in Deutschland
Siedlung am See in Worms, Bungalow am westlichen Rand der Siedlung © Leonie Köhren, GDKE, Direktion Landesdenkmalpflege
Siedlung am See in Worms, Gartenseite eines Bungalows © Leonie Köhren, GDKE, Direktion Landesdenkmalpflege
Villa Glashütte bei Utscheid © Leonie Köhren, GDKE, Direktion Landesdenkmalpflege
Die von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger (VDL) herausgegebene Publikation „Wohnen 60 70 80. Junge Denkmäler Deutschland“ zeigt erstmals einen umfassenden Überblick über die bundesweit als Kulturdenkmäler erfassten Wohnbauten der 1960er bis 1980er Jahre.
Vom schlichten Funktionalismus über die skulpturale Ästhetik des Brutalismus bis hin zum historisierenden Bauen: Die Gebäude der 1960er bis 1980er Jahre zeichnen sich durch vielfältige Erscheinungsformen aus, sind zugleich aber auch durch eine beispiellose Umbau- und Erneuerungswelle in ihrem Bestand bedroht. Die Erfassung junger Denkmäler zählt daher zu den wichtigen aktuellen Aufgaben der Landesdenkmalämter.
Die Publikation zeigt nun erstmals einen umfassenden Überblick über die bundesweit als Kulturdenkmäler erfassten Bauten dieser Jahre – vom Einfamilienhaus über Siedlung und Hochhaus bis zum Experimentalbau –, ergänzt durch eine Einleitung zur Methodik der Denkmalerfassung und ihrer Bewertungsgrundlagen. Der Band rückt damit eine Epoche in den Mittelpunkt, die bereits seit einigen Jahren nicht nur in der Fachwelt, sondern auch bei einer breiteren Öffentlichkeit zunehmend Beachtung findet. Die reich bebilderte Publikation richtet sich nicht nur an Denkmalpfleger, Kunst- und Architekturhistoriker, sondern explizit auch an ein vielseitig interessiertes Publikum, das mehr über die unterschiedlichen Ausprägungen des nachkriegsmodernen Wohnens in Deutschland erfahren möchte.
Unter den vorgestellten Denkmälern finden sich paradigmatische Bauten wie der Kanzler-Bungalow in Bonn oder die im Rahmen der IBA 87 realisierte Wohnanlage am Berlin Museum, die zu den bedeutendsten Beispielen der Nachkriegsmoderne in Deutschland zählen. Aber auch weniger bekannte Gebäude und Anlagen werden erwähnt und anhand von Texten, Bildern und Grundrissen anschaulich dokumentiert. Dass sich auch Rheinland-Pfalz nicht verstecken muss, wenn es um herausragende Bauten der Nachkriegszeit geht, zeigen die beiden im Band vorgestellten Objekte.
Als exklusive Wohnanlage wird die „Siedlung am See“ in Worms vorgestellt, die 1964–1968 nach Plänen des Wormser Architekten Friedrich Seeger errichtet wurde und seit 2017 als bauliche Gesamtanlage geschützt ist. Innerhalb der europäischen Nachkriegsmoderne stellt sie ein bedeutendes und selten überliefertes Zeugnis einer einheitlich konzipierten Wohnsiedlung dar, die zugleich anschaulich den Lebensstil und die Wohnkultur der westdeutschen gehobenen Mittel- und Oberschicht dokumentiert. Darüber hinaus widmet sich die VDL-Publikation der sog. Villa Glashütte in Utscheid als einem postmodernen Paradebeispiel des privaten Wohnungsbaus, das der Kölner Architekt Oswald Mathias Ungers gemeinsam mit dem Landschaftsarchitekten Bernhard Korte entworfen hat. Das Haus sowie die Überformung der umliegenden Landschaft veranschaulichen nicht nur die architektonischen Vorstellungen des Architekten Ungers und seine von der Renaissance und den klassischen Maßen der Antike beeinflusste Denkweise, sondern auch eine auf postmodernen Gestaltungsprinzipien basierende assoziative Gestaltung der Landschaft als Erinnerungsort an die einst hier gelegene Glashütte.
Die Publikation ergänzt damit eine sehenswerte, von der VDL konzipierte Wanderausstellung, die ebenfalls ausgewählte Beispiele der jüngeren Architekturgeschichte vorstellt und anhand von einzelnen Stationen, die mit zeittypischem Mobiliar des jeweiligen Jahrzehnts ausgestattet sind, anschaulich vermittelt.
Leonie Köhren
Annäherung an einen Adelshof in Kaiserslautern
Kaiserslautern, Steingasse 39, wiederentdeckte Decke im Erdgeschoss © J. Ernst, GDKE, Landesdenkmalpflege
Kaiserslautern, Steingasse 39, Blick ins Erdgeschoss © J. Ernst, GDKE, Landesdenkmalpflege
Kaiserslautern, Steingasse 39, Außenansicht © GDKE, Fotoarchiv Landesdenkmalpflege (Foto: Britta Schwarzbach/Kaiserslautern, 1993)
Während der Restaurierungsarbeiten am Kolbenhof in Kaiserslautern, wurde jüngst ein sensationeller Fund gemacht. Unter einer Abdeckung im Erdgeschoss fand sich eine bauzeitliche Renaissancedecke.
An der alten Hauptachse, die die Stadt Kaiserlautern von Nordosten nach Südwesten durchzog – Steinstraße und Markstraße – lagen einst auch die großen Kloster- und Adelshöfe. Für die Steinstraße 55 ist der Wirtschaftshof der Prämonstratenserabtei Wadgassen bezeugt, für die Steinstraße 39 ein Wirtschaftshof des Zisterzienserklosters Werschweiler. Dessen Besitztümer wurden in der Folge der Reformation 1558 vom Pfalzgrafen eingezogen und 1583 an Friedrich von Flersheim veräußert. Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts, als Pfalzgraf Johann Casimir Kaiserslautern zu seiner Residenz wählte und dafür das neue Schloss im Bereich der Kaiserpfalz (Barbarossas) baute, verlegten die Flersheimer ihr Burgmannenhaus vom Rittersberg hierher an die Steinstraße. Vermutlich unter Weiterverwendung einzelner Bauteile entstand ein dreiflügeliger Bau mit zwei längeren Flügeln parallel zur heutigen Kolbenstraße und einem verbindenden kurzen an der Steinstraße.
Der südliche Flügel hat sich bis heute erhalten und bei genauerem Hinsehen finden sich trotz der späteren Veränderungen noch einige charakteristische Bauelemente, die vom Renaissancebau geblieben sind: Auf der Rückseite zum heute schmalen Hof tritt das Treppenhaus hervor, außen polygonal, innen halbrund geformt, das einst die Wendeltreppe barg. Der Stadtpfarrer Carl Hollsteiner schrieb in seiner Stadtbeschreibung von 1860 noch von zwei Türmen mit Wendeltreppen, auch sah er noch den vollständigen Hof. Er nennt das Gebäude das Witt‘sche Haus vulgo Eulenburg, weiß aber, dass es sich um das Haus der Herren von Flersheim handelte. Er beschreibt ebenfalls noch an einem der beiden Türme die Jahreszahl 1585. Diese findet sich am Architrav des säulenflankierten Türgestells, das 1937 in den Saal des teilrekonstruierten Casimirschlosses versetzt wurde. Auf diesem Portal sieht man die beiden Wappen der Bauherren: Friedrich von Flersheim, ein quer dreigeteiltes Schild, und seine Ehefrau Ottilie Hauste von Ulmen mit gerautetem Feld. Beide Wappen sind auch – noch reicher mit Helmzier geschmückt – auf der rechteckig gerahmten Sandsteintafel wiedergegeben, die heute an der Ecke des Hauses am Anfang der Kolbenstraße in den Putz eingelassen ist. Weiterhin zeigen auf der Hofseite mehrere Fenstergewände in beiden Geschossen die gekuppelte Anordnungsweise mit gekehlten Gewänden und schneckenförmigem Ablauf im unteren Viertel.
Als der Flersheimer Hof oder wie er später genannt wurde, der Kolbenhof vor zwei Jahren seinen Eigentümer wechselte, kam bei den einsetzenden Sanierungsarbeiten ein sensationeller Fund zutage: Eine alte Decke aus Flersheimer Zeiten, die sich über der Abhängung im Erdgeschossraum fand, der das hintere Drittel des Flügels an der Kolbenstraße einnimmt.
Der Raum, der sich über die gesamte Tiefe des Flügels erstreckt, ist annährend quadratisch, die lichte Raumhöhe beträgt stattliche 4,2 m. Die Deckenkonstruktion, die sog. Tramdecke, besteht aus vier Eichenunterzügen, die in Ost-West-Richtung, also von der Straßen- zur Hofwand auf den starken Außenwänden aufliegen. Ihre Kanten sind mit einem S-förmigen (Karnies-) Profil geziert. In die Zwischenräume sind quer kurze Holzbalken eingelassen. Auf diesen Querbalken liegt der Boden des Obergeschosses auf.
Mithilfe der Landesdenkmalpflege konnte das Fälldatum des Holzes für die Decke in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts bestimmt werden und zwar auf eine Fällung nach 1543. Es ist somit ziemlich sicher davon auszugehen, dass die Decke im Zusammenhang der Einrichtung des Flersheimer Hofes 1583/85 gezimmert wurde. Später wurde im Rahmen von Sicherungs- und Reparaturmaßnahmen ein zusätzlicher Unterzug aus Kiefernholz in Querrichtung eingezogen, der dendrochronologisch auf das Jahr 1852/53 datiert werden konnte.
Kurzfristig anberaumte Untersuchungen durch die Restauratorin Karen Keller (Köln) brachten Klarheit über die ursprüngliche Farbigkeit von Decke und Wänden: So zeigte die unterste der 13 gefundenen Farbschichten auf den Deckenbalken ein mittleres Grau, der später angebrachte Unterzug ein helleres Grau. Diese Fassung wurde bei den aktuellen Erneuerungsarbeiten wiederhergestellt. Der Wandputz, der mit der Decke angebracht wurde, war kalkweiß, im Anschluss an die Decke verlief ein rotes Begleitband, weitere Verzierungen in Schwarz sind nur fragmentarisch nachweisbar.
Der Raum mit der nun wieder gewonnenen beträchtlichen Raumhöhe und der repräsentativen, mit profilierten Balken gestalteten Decke belegt sehr anschaulich Dimension und Qualität der Innenraumgestaltung eines Adelshofes des ausgehenden 16. Jahrhunderts. Er ist damit ein bedeutendes Zeugnis der an vergleichbaren Bauten nicht reichen Kaiserslauterer Baugeschichte.
Text: Ulrike Weber
Maikammer Weinstraße Nord © GDKE Rheinland-Pfalz / Landesdenkmalpflege
Maikammer Alsterweiler, Straßenansicht Hauptstraße © GDKE Rheinland-Pfalz / Landesdenkmalpflege
Vertreter der Orts- und Verbandstgemeide, Touristinformation, Kreisverwaltung und der Landesdenkmalpflege © GDKE, Landesdenkmalpflege
Maikammer-Alsterweiler, Steinschieber, Hauptstraße 25 © Lucy Liebe, GDKE, Landesdenkmalpflege
Nachqualifizierung der Denkmalzonen „Ortskern Maikammer“ und „Ortskern Maikammer-Alsterweiler“ abgeschlossen
Im Rahmen des Projekts „Systematische Nachqualifizierung der Denkmalzonen in Rheinland-Pfalz“ wurden die historischen Ortskerne der pfälzischen Orte Maikammer und Maikammer-Alsterweiler denkmalpflegerisch bewertet. Die gewonnenen Untersuchungsergebnisse konnten nun vor Ort vorgestellt werden.
Inmitten der vom Wein geprägten Kulturlandschaft am Rande des Pfälzerwaldes, mit Blick auf das Haardtgebirge und das Hambacher Schloss, befindet sich der Ort Maikammer mit seinem Ortsteil Alsterweiler. Beide Ortschaften liegen nah beieinander und standen schon immer in einem politischen und baulichen Zusammenhang. Bis heute konnten sich ihre historischen Kerne erhalten, die die Orts- und Baugeschichte noch immer ablesbar dokumentieren.
Maikammer und Alsterweiler gehen wahrscheinlich auf fränkische Siedlungen zurück, deren mittelalterliche Parzellenstruktur in Form von Langgewannfluren ablesbar geblieben ist. Dies wirkt sich stark auf den jeweiligen Ortsgrundriss und die Ortsbebauung aus. Maikammer, dessen ursprünglicher Ortskern sich wohl um die katholische Pfarrkirche St. Kosmas und Damian herum bildete, entwickelte sich zu einem Mehrstraßendorf mit kreuzförmigem Grundriss. Alsterweiler hingegen wuchs als typisches Straßendorf entlang der Hauptstraße als Kernbereich. Die Ortsbebauung der als Denkmalzonen geschützten beiden Ortskerne wird vom Weinbau geprägt. Dies zeigt sich insbesondere in einer dichten Bebauung mit Haus- und Hofanlagen, die die Wohnhäuser in der regionaltypischen Bauweise des Winzerhauses mit rückwärtig gelegenen Wirtschaftsgebäuden, oft als Zweiseit- oder Dreiseithofanlagen kombinieren. Im Straßenbild beider Orte überwiegen verputzte Massivbauten des 18. und 19. Jahrhunderts mit sandsteinerner Gliederung und betonter Traufzone, die häufig mit Schmuckfriesen verziert sind. In Maikammer sind jedoch auch einige einzelne, besonders auffällige Gebäude zu entdecken, wie beispielsweise Renaissance-Bauten, die mit aufwendigen Fassadengestaltungen wie Schweif- und Treppengiebeln im Straßenbild hervortreten. Auch Baudetails wie die charakteristischen Torfahrten mit repräsentativen Rundbögen sowie Nischen mit Hausfiguren oder schmiedeeiserne Hausschilder und Steinschieber an Kelleröffnungen sind prägende Elemente, die für beide Denkmalzonen konstituierend sind.
Mit großem Interesse nahmen Vertreter der Verbands- und Ortsgemeinde, der lokalen Tourist-Information sowie der Kreisverwaltung an der Präsentation der Untersuchungsergebnisse in Maikammer teil. Die Beteiligten waren sich einig, dass die intensive Betrachtung der Ortskerne den Menschen vor Ort einen neuen, sensibilisierten Blick auf den Heimatort ermöglicht. Deshalb wird auch eine Kooperation mit KuLaDig, dem digitalen „Informationssystem über die historische Kulturlandschaft und das landschaftliche Kulturelle Erbe“ in Deutschland angestrebt, die eine weitere Verbreitung der gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen soll.
Aber auch die denkmalpflegerische und planerische Arbeit in den Denkmalzonen kann nun durch die vorgelegten Ergebnisse der Nachqualifizierungen unterstützt werden, die detailliert die prägenden Elemente der Orts- und Straßenbilder beschreiben sowie konstituierenden Elemente der Denkmalzonen aufzeigen. Die Untersuchungsergebnisse dienen somit künftig als wissenschaftliche Grundlage zur denkmalpflegerischen Bewertung möglicher Baumaßnahmen und Veränderungen an Fassaden, Einzelgebäuden und der Ortsstruktur. Aber auch die Eigentümer der Gebäude innerhalb der Denkmalzone können die Projektergebnisse, die auf der Website der Landesdenkmalpflege veröffentlicht werden, bei der Vorbereitung und Planung baulicher Maßnahmen nutzen. Der sachgerechte Umgang mit der historischen Substanz wird somit erleichtert und eine denkmalgerechte städtebauliche Entwicklung der Gemeinde gefördert.
Fotos und Text:
Lucy Liebe M.A.; Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt "Systematische Nachqualifizierung der Denkmalzonen von Rheinland-Pfalz". In Kooperation mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz
Freisenheim_Stadtmauer ©GDKE, Wenzel
Freinsheim, Stadtmauer, Typologie der Türme © Barthel & Maus GmbH
Freinsheim, Stadtgrundriss, Gebäuden und Anlagen mit besonderen Funktionen 1830–1837 © Christiane Reichert
Alles über Stadt und Mauer
Das malerische und geschlossene Ortsbild von Freinsheim mit der fast vollständig erhaltenen Stadtmauer sind in der Pfalz und weit darüber hinaus bekannt und beliebt. Nun sind innerhalb kurzer Zeit zwei „Handbücher“ für den Umgang mit der historischen Stadt und der Stadtmauer vorgelegt worden, die für Rheinland-Pfalz Maßstäbe setzen.
2018 entstand das erste „Handbuch“ als Vertiefte städtebaulich-denkmalpflegerische Untersuchung zur Freinsheimer Stadtgeschichte und Stadtstruktur durch ein Bamberger Büro. Denn viele Kenntnisse über die Qualitäten eines historischen Ortskerns sowie ihrer wertvollen Bauten sind oftmals verstreut oder nur rudimentär erhalten. Diese sind nun in der Studie, die wie ein Lexikon benutzt werden kann, zusammengefasst. Für jedermann im Internet bei der Verbandsgemeinde einsehbar, findet man hier unzählige Informationen zur Stadtentwicklung, zu Straßenzügen und historischen Freiflächen, zur Wasserversorgung und – in einem Häuserkatalog – zu den einzelnen Gebäuden. Für das Städtebauförderprogramm „Historische Stadtbereiche“, die Denkmalpflege, aber vor allem auch für die Einwohner gibt es nun ein hervorragendes Instrument, um Stadtbild und Häuser, letztlich aber auch die Seele des Ortes zu bewahren.
Ein weiteres „Handbuch“ ist 2019 für die Stadtmauer durch ein Ingenieurbüro aus München erstellt worden. Die Mauer in Freinsheim gehört zu den besterhaltenen mittelalterlichen Befestigungen in Rheinland-Pfalz; sie ist zwischen 1471 und 1514 entstanden, als Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz den Ort zur Stadt erhob. Außergewöhnlich ist die hohe Einheitlichkeit der Mauer mit zwei Toren und 13 Türmen, einzigartig die beeindruckenden Mauergassen mit malerischen „Anlehnhäusern“. Die jüngste Untersuchung vereinigt nun in ungewöhnlicher Weise Informationen zur Baugeschichte einerseits mit einem Gutachten über Zustand und Schäden der Stadtmauer andererseits. Hinzu kommen Empfehlungen für notwendige Instandsetzungsmaßnahmen und eine Kostenschätzung. Das gleichzeitig entstandene, vollständige digitale Aufmaß ist in diesem Umfang einmalig in Rheinland-Pfalz. Für Erhalt und Pflege der Mauer, die weitgehend in städtischem Besitz ist, kann man damit auf eine hervorragende Basis zurückgreifen. Auch sie ist der Öffentlichkeit zugänglich.
Nicht nur für Denkmalpflege und Stadtsanierung, sondern auch für die breite Öffentlichkeit sind mit den beiden Dokumentationen zwei vorbildliche Grundlagenwerke entstanden, die kurz- und langfristig zu einem qualitätvollen Umgang mit dem Stadtgefüge und der Stadtmauer beitragen werden. Es bleibt zu wünschen, dass sie keine Einzelfälle bleiben.
Die entsprechenden Dokumente sind auf der Homepage der Verbandsgemeinde Freinsheim zu finden.
Maria Wenzel
TU Kaiserslautern, Energiesparendes Studenwohnheim (ESA), Ansicht von Außen © Roswitha Kaiser, GDKE, Landesdenkmalpflege
TU Kaiserslautern, Energiesparendes Studenwohnheim (ESA), Sitzecke © Roswitha Kaiser, GDKE, Landesdenkmalpflege
TU Kaiserslautern, Energiesparendes Studenwohnheim (ESA), Wohnbereich © Roswitha Kaiser, GDKE, Landesdenkmalpflege
Die grüne Arche auf dem Campus
Versteckt am Waldrand auf dem Gelände der Technischen Universität Kaiserslautern liegt eines der jüngsten und aufregendsten Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz: Das Energiesparende Studentenwohnheim Architektur, kurz ESA genannt.
Idee und Realisierung des Experimentalbaus standen ganz im Zeichen der damaligen Bauzeit: Die Ölkrise von 1973 und die Berichterstattung über Grenzen des Wachstums 1972 waren in das Bewusstsein von Politik und Gesellschaft gedrungen. Die Ausbildung von Ingenieuren und Architekten war von der Herausforderung ökologischen Bauens mit Gemeinschaftsprojekten geprägt. Aus Amerika erreichten spektakuläre Beispiele solarer Architektur im Selbstbaumodus die akademischen Hochschuldebatten in Deutschland.
Diese Impulse fanden zu Beginn der 1980er Jahre, angeregt durch das damalige Finanzministerium Rheinland-Pfalz, ihren Niederschlag in Planung und Realisierung des Studentenwohnheims der Universität Kaiserslautern. Der bauliche Bestand des sozialen, ökologischen und energetischen Lehr- und Versuchsprojektes war für eine temporäre Dauer von etwa dreißig Jahren geplant. Nur mit tatkräftiger Unterstützung als Selbsthilfe im Studienbetrieb und Materialsponsoring der regional ansässigen Industrie konnte das Studentenwohnheim realisiert werden. In der damaligen Fachpresse fand der experimentelle Bau und Prototyp einer „grünen Arche“ überaus positives Echo.
Viele Ideen des Projektes haben sich bewährt und sind heute in Zeiten des Klimawandels und der Energieeinsparung selbstverständliche Herausforderung beim Bauen geworden. Hierzu gehören etwa die Idee des Hauses im Haus, der Bau von Latentspeichern, die Integration von Grün in die Architektur und die Nutzung solarer Energie. Als Wohngemeinschaft von zwanzig Studierenden ist das ESA über die Jahre ein gelungenes, geregeltes, nachhaltiges und funktionierendes Haus. Manche Improvisationen der Entstehungszeit, so etwa die Ziegel-Wasser-Speicher-Wand in Gestalt von eingemauerten Tetrabricks, nötigen uns heute Schmunzeln ab.
Landesdenkmpalpflege GDKE © Hundhausen
Landesdenkmalpflege © GDKE
Die Keller um den Judenhof in Speyer
von Jutta Hundhausen
Begehungen der Keller rund um den Judenhof in Speyer haben jüngst neue Erkenntnisse zur jüdischen Gemeinde sowie zur Speyerer Stadtgeschichte hervorgebracht.
Die Ursprünge der jüdischen Gemeinde in Speyer, die bis in das frühe 16. Jahrhundert Bestand hatte, reichen in das Jahr 1084 zurück, als Bischof Rüdiger Huzmann sie in direkter Nähe zum Dom ansiedeln ließ. Zusammen mit den jüdischen Gemeinden von Mainz und Worms bildete Speyer einst das geistige Zentrum der europäischen Juden („SchUM“).
Aus dieser Zeit erhalten ist der Judenhof mit der Ruine der Männersynagoge (1104), der Frauenschul und der Mikwe (vor 1126). Das ehemals gemischt jüdisch-christliche Stadtviertel um den Judenhof hat jedoch seit dem Mittelalter starke Veränderungen erfahren, insbesondere durch die Zerstörungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689. Ab dem frühen 18. Jahrhundert wurde das Gebiet dann quasi komplett neu aufgebaut. Doch wie sieht es unter der Erde aus? Haben sich im Untergrund von Speyer Bauten aus dem Mittelalter, der Zeit der jüdischen Gemeinde erhalten?
Um dies zu überprüfen, führte die Landesdenkmalpflege in den Jahren 2017–2019 eine Begehung der Keller um den Judenhof durch. Unterstützt von der Unteren Denkmalschutzbehörde Speyer und der Landesarchäologie wurden dabei etwa sechzig Keller erfasst. Es konnte festgestellt werden, dass die meisten von ihnen älter sind als die darüberliegenden Gebäude – ein Beleg dafür, dass die Stadtstruktur aus der Zeit vor 1689 tatsächlich in den Kellern, teilweise sogar im Aufgehenden überdauert hat. Viele der meist tonnengewölbten Keller gehören zu einst giebelständigen Gebäuden, die durch traufständige Häuser ersetzt wurden. Im Gegensatz dazu liegen, vor allem an der Kleinen Pfaffengasse, größere, parallel zur Straße ausgerichtete Keller. An der Judengasse wiederum finden sich kleine, auf engstem Raum zusammengedrängte Keller. Vereinzelt sind im Untersuchungsgebiet frühneuzeitliche bis barocke Stützenkeller mit Kreuzgratgewölben anzutreffen. Im Süden und im Osten des Speyerer Judenhofs wurden die 1689 zerstörten Gebäude nicht wiederaufgebaut, sondern Gärten angelegt. Jüngst sind dort Fragmente von zwei mittelalterlichen Kellern wiederentdeckt worden. Ein ganz besonderer Befund in einigen Kellern ist die so genannte Pietra rasa: eine typisch romanische Technik, bei der der Setzmörtel über die Bruchsteine hinweg verstrichen und die Fuge mit einer Ritzung versehen wurde, um ein Quadermauerwerk zu imitieren. Erhalten ist Pietra rasa auch am Raschihaus (12. Jh.) und der Mikwe (1185/1186) in Worms.
Zustand nach vollendeter Restaurierung des Tores und Vervollständigung des Skulpturenschmucks © GDKE, Landesdenkmalpflege, G. P. Karn
Engeltor der Abtei Rommersdorf
von Markus Fritz-von Preuschen
Neben den mittelalterlichen Kernbauten der KIausur wird die spätestens 1117 gegründete Prämonstratenserabtei Rommersdorf bei Neuwied vor allem durch die barocken Klosterbauten des 18. Jahrhunderts geprägt. Aus dieser Zeit stammt auch das in Volksmund als Engeltor bezeichnete Feldtor, das den ursprünglichen repräsentativen Hauptzugang zur Abtei bildete.
Ende 2018 erhielt das Engeltor nach einer aufwendigen, durch die Landesdenkmalpflege geförderten Instandsetzung der Portalarchitektur seinen Figurenschmuck zurück, der durch die Abtei-Rommersdorf-Stiftung und die Eigentümerin finanziert wurde. Das Tor war einschließlich seines Schmucks 1777 nach Entwürfen des rheinisch-moselländischen Baumeisters Ferdinand Lauxen im Auftrag des damaligen Abtes Franz Kech errichtet worden. Mit der Säkularisation wurde die Abtei aufgehoben und später als landwirtschaftliches Gut betrieben.
Frankenstein (Kr. Kaiserslautern), Biedenbacherwoog am Leinbach mit steinernem Wehr und Umleitungskanal © GDKE, Landesdenkmalpflege, G. P. Karn
Esthal (Kr. Bad Dürkheim), Goldwoog am Breitenbach mit Auslass und „Riesel“ © GDKE, Landesdenkmalpflege, G. P. Karn
Elmstein (Kr. Bad Dürkheim), Alte Schmelzklause, Bachverlauf, Großer Legelbach, umgebaut 1857 als Klause im Nebenschluss © GDKE, Landesdenkmalpflege (Bildautor: Kultur-Büro AHB, Ginsheim-Gustavsburg)
Wooge und Triften im Pfälzerwald. Pilotprojekt zur Erfassung der historischen Wasserwirtschaft
von Alexandra Fink
Der Pfälzerwald ist eines der größten geschlossenen Waldgebiete Deutschlands und ein überregional bedeutender Grundwasserspeicher. Er ist gemeinsam mit den Vosges du Nord UNESCO Biosphärenreservat, dessen jüngste Evaluation der UNESCO noch einmal bekräftigt, dass gerade die Wooge und Triftbäche wertvolle Lebensräume und „gesichtsgebende Elemente“ der Kulturlandschaft Pfälzerwald sind.
2014 wurde im Auftrag des Umweltministeriums Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem Landesamt für Umwelt und dem Bezirksverband Pfalz (Träger des Biospährenreservates) das Projekt „Wooge und Triftgewässer“ ins Leben gerufen, das modellhafte Lösungen zum nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen, d. h. den Gewässern, entwickeln soll. Als die Landesdenkmalpflege in das Projekt einbezogen wurde, stellte sich schnell heraus, dass eine systematische Erfassung der Wooge und Triftanlagen unter kulturhistorischen und denkmalfachlichen Aspekten notwendig ist. Einst hatten die Anlagen den Zweck, durch Aufstauen der Nebenbäche ausreichend Wasser zu gewinnen, wie es für den Transport des im Wald gewonnenen Brennholzes auf dem Speyerbach in die Rheinebene notwendig war. Bei den zahlreichen wasserbaulichen Anlagen handelt es sich demnach um ein kulturhistorisches Ensemble von hoher, wenn nicht sogar überregionaler Bedeutung für die wirtschaftliche Nutzung des Waldes und des Wassers. Bislang wurden diese Anlagen jedoch nur punktuell und beispielhaft als Kulturdenkmäler eingestuft. Derzeit liegt die Erfassung der Triftbäche und zugehörigen wasserbaulichen Anlagen in unterschiedlicher inhaltlicher Vertiefung vor. Eine ausführlich bearbeitete Denkmaltopographie liegt bislang nur für den Kreis Bad Dürkheim vor. Ein 2018 von der Landesdenkmalpflege durchgeführtes Pilotprojekt hatte daher zum Ziel, anhand eines begrenzten Gebietes beispielhaft Methodik, Umfang und Aufwand einer Gesamterfassung der historisch relevanten baulichen Zeugnisse der Trift und Wassernutzung im Pfälzer Wald zu ermitteln. Zu diesem Zweck wurde das Einzugsgebiet des Legelbaches einschließlich Speyerbach zwischen Mündung Legelbach und Gemarkungsgrenze Elmstein bearbeitet. Modellhaft wurden dabei die baulichen Zeugnisse der historischen Wasserwirtschaft im Pfälzerwald untersucht und erfasst. Dabei erwies sich, dass die im gesamten Bereich erhaltenen wasserbauliche Anlagen anschauliche Zeugnisse der Wirtschaftsgeschichte darstellen.
Das Triftwesen ist in der Pfalz bereits seit dem Mittelalter nachgewiesen, wobei die Gewässer multitfunktional genutzt wurden. Die erste Bachordnung einschließlich Regelungen zur Trift stammt aus dem 15. Jahrhundert. Die erste Floßordnung wurde 1757 von Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz erlassen. Aufgrund der Vielzahl an kleineren Landbesitzern war damit jedoch noch kein systematischer Triftausbau verbunden.
Gottfried Böhm © Foto von Elke Wetzig / CC BY-SA 4.0 via wikimedia commons
Bergisch-Gladbach, Herz Jesu-Kirche (1956–1969), Kohlezeichnung 1957 © Wolfgang Voigt (Hg.): Gottfried Böhm. Berlin 2006, S. 39
Velbert-Neviges, Wallfahrtskirche Maria Königin des Friedens, 1961–1973 © Foto von seier + seier / CC-BY-2.0 via wikimedia commons
Bad Kreuznach, Kauzenburg, Ausbau 1971–1972 © GDKE, Landesdenkmalpflege, G. P. Karn
Köln, WDR-Arkaden, 1994–1996 © Foto von Elke Wetzig / CC BY-SA 3.0 via wikimedia commons
Gottfried Böhm und seine Werke in Rheinland-Pfalz
TEIL 1: Gottfried Böhm zum 100. Geburtstag.
Wirken und Werke in Rheinland-Pfalz
von Karola Sperber
Gottfried Böhm, geboren am 23. Januar 1920 in Offenbach am Main, gilt als einer der bedeutendsten und vielfältigsten Architekten der Nachkriegszeit, dessen Werk eine weltweite Ausstrahlungskraft zugesprochen wird. Bekannt wurde Böhm – der 1986 als erster deutscher Architekt mit dem angesehenen Pritzker-Preis ausgezeichnet wurde – vor allem durch seine aufsehenerregenden Kirchenbauten aus Beton, Stahl und Glas, denen nicht selten bildhauerische Elemente anhaften. Das Jahr 2020 ist das Jahr in dem Gottfried Böhm seinen 100. Geburtstag feiert. Zu diesem Anlass haben sich zahlreiche Institutionen zusammengeschlossen, um das Werk des Architekten unter dem Motto BÖHM100 mit Vorträgen, Symposien, Ausstellungen und Exkursionen zu beleuchten. So soll auf vielen Ebenen das gesamte Jahr hindurch dem Architekten eine umfassende Würdigung zuteilwerden. Auch die Landesdenkmalpflege möchte sich in den kommenden Wochen diesem Thema widmen und sein Wirken sukzessive in Rheinland-Pfalz beleuchten, von dem das ein oder andere Bauwerk Eingang in die Architekturgeschichte gefunden hat.
Nachdem Gottfried Böhm 1945, kurz vor Kriegsende, sein Studium der Architektur und Bildhauerei in München beendet hatte, wechselte er in das Kölner Büro seines Vaters Dominikus Böhm, der neben Rudolf Schwarz zu den bedeutendsten Kirchenbaumeistern der Zwischenkriegszeit in Deutschland gehört. Im väterlichen Büro erlernte und vertiefte Gottfried Böhm schließlich sein Handwerk. Bis zum Tode des Vaters, 1955, arbeiteten beide Architekten eng zusammen. Sein erstes eigenständiges Werk war die 1947 in den Trümmern von St. Kolumba errichtete Marienkapelle in Köln, die seit 2007 in Peter Zumthors Neubau für das Erzbischöfliche Diözesanmuseum integriert ist. Die filigrane Betonkonstruktion der achteckigen Kapelle, welche die im Krieg unversehrt gebliebene Figur einer spätgotischen Madonna einbezieht, wurde zu einer Ikone der unmittelbaren Nachkriegszeit und gehört heute zu den eindrucksvollsten Sakralbauten Kölns.
Zu Gottfried Böhms wichtigsten Bauwerken gehören vor allem jene Kirchenbauten, die mit ihrer starken Materialwirkung und ausgeprägten Formensprache vorbildhaft für die Architektur der Nachkriegszeit wurden, wie beispielsweise die Herz-Jesu-Kirche in Bergisch-Gladbach (1956–1969) oder die Wallfahrtskirche Maria Königin des Friedens in Velbert-Neviges (1961–1973). Böhm, der ursprünglich Bildhauer werden wollte, knüpft dabei an die skulpturale Architektur seines Vaters an. In der Nachkriegszeit gehörte vor allem der Wiederaufbau zu den wichtigsten Aufgaben der Architekten, wodurch sich auch die zahlreichen Sakralbauten die unter seiner Hand entstanden sind, erklären lassen. Bis 1970 entwarf Gottfried Böhm mehr als 60 Kirchen. Auch Rheinland-Pfalz hat bedeutenden Bauten dieser Schaffensperiode vorzuweisen, etwa die St. Elisabethkirche in Koblenz (1951–1963) oder die Pfarrkirche Heilig-Kreuz in Trier (1958–1974).
Von Anfang an ist der Werkstoff Beton kennzeichnend für seine Bauten, doch ab den 1960er Jahren wird er zum bestimmenden Element seiner Architektur. Mit seinen skulpturalen Betonkirchen wurde er schließlich zu einem bedeutenden Vertreter des sogenannten Beton-Brutalismus. Gottfried Böhm war dabei von der Idee fasziniert, dass mithilfe von Beton unterschiedliche Konstruktionen von hängenden und formstabilen Decken möglich waren. Er selbst wies darauf hin, dass ihn die Trümmerlandschaft seiner Heimatstadt Köln für seine Architekturformen inspiriert habe. Mit seiner speziell entwickelten „Gewebedecke“ gelangen ihm vielfältige, zeltdachartige Konstruktionen, die bis heute charakteristisch sind für sein Werk. Neben Kirchenbauten kam Beton aber auch bei zahlreichen weiteren Bauten zum Einsatz. So wird der Werkstoff beispielweise bei seinem ersten Profanbau, dem Rathaus in Bensberg, einem Stadtteil Bergisch-Gladbachs, zum bestimmenden Material. Bei diesem vollständig in Sichtbeton ausgeführten Gebäude nimmt Böhm die Linienführung der mittelalterlichen Burg auf, die in direkter Nachbarschaft steht.
In Abkehr zu seiner betonbrutalistischen Phase wandte sich Böhm Anfang der 1970er Jahre anderen Materialien zu – einer Zeit in der ebenfalls die Kirchenbaukonjunktur der Nachkriegszeit ein Ende fand und profane Wohn- wie Bürobauten und Geschäftshäuser Eingang in sein Oeuvre fanden. Statt der expressiven Betonung skulpturaler Werte und dem großflächigen Einsatz von Sichtbeton beherrschen nun filigrane Stahl-Glaskonstruktionen seine architektonische Sprache.
Beispielhaft stehen hierfür der Umbau der Kauzenburg in Bad Kreuznach (1969–1976) oder auch das Bürgerhaus „Bergischer Löwe“ in Bergisch-Gladbach (1974–1980), deren plastische Stahlblechfassaden miteinander verwandt sind.
Mit den WDR-Arkaden in Köln, der Ulmer Stadtbibliothek oder dem Neubau der Deutschen Bank in Luxemburg profilierte sich Böhm schließlich als Künstlerarchitekt der deutschen Postmoderne. Ungeachtet der verschiedenen Ausprägungen seiner Architektur, achtet Böhm stets den vorgefundenen Bestand und bindet diesen in ein zeitgenössisches Konzept ein. Er gehört damit zu den Ausnahme-Architekten im Nachkriegsdeutschland, die bereits früh eine Abkehr von der Zweckmäßigkeit der 1960er Jahre-Architektur vollzogen haben. Und so kann sich das Land Rheinland-Pfalz stolz schätzen, bedeutende Vertreter seiner Baukunst, die heute als herausragende Beispiele der Nachkriegszeit nach und nach Eingang in die Denkmallisten finden, aufweisen zu können. In den kommenden Wochen werden wir bekannte und bislang unentdeckte Schätze seiner Architektur in Rheinland-Pfalz gemeinsam entdecken.
Speyer, Maximilianstraße, Blick vom Altpörtel © Foto von Immanuel Giel
Speyer, Blick zum Dom © GDKE, Landedenkmalpflege, G. P. Karn
Landau, Parkhaus, Ansicht von Südosten mit Aufzugsschacht © GDKE, Landesdenkmalpflege, L. Köhren
Jockgrim, tonnengewölbte Kammer des ehem. Ringofens ©GDKE, Landesdenkmalpflege, L. Köhren
Jockgrim, Ziegeleimuseum und Verbandsgemeindeverwaltung ©GDKE, Landesdenkmalpflege, L. Köhren
Gottfried Böhm und seine Werke in Rheinland-Pfalz
TEIL 2: Gottfried Böhm und die Pfalz
von Karola Sperber und Leonie Köhren
Auf unserer Entdeckungstour durch Rheinland-Pfalz führt der Weg zunächst einmal in die Pfalz. In eine Region unseres Bundeslandes, die sich eher der späten Schaffensperiode Böhms zuordnet, doch zugleich sein breites künstlerisches Spektrum aufzeigt, da er hier Profanbauten unterschiedlicher Nutzung realisierte.
Speyer, Fußgängerzone Maximilianstraße (1986–1988)
Die in West-Ost-Richtung, vom Altpörtel axial auf den Dom zulaufende Maximilianstraße ist nicht nur die Hauptgeschäftsstraße der Stadt Speyer, sondern zugleich auch die ehemalige Prachtstraße der alten Kaiserstadt. Ihre kleinteilige Bebauung stammt zwar vielfach aus dem 18. Jahrhundert, entstanden ist sie aber einst im Zusammenhang mit dem Dombau im 11. Jahrhundert und weist als Schauplatz zahlreicher kaiserlicher Einzüge einen hohen geschichtlichen wie städtebaulichen Wert auf.
Anlässlich der 2000-Jahr-Feier unternahm die Stadt Speyer mithilfe der Städtebauförderung ein umfassendes Sanierungsprogramm für die Altstadt. Im Zentrum stand einerseits die Umgestaltung der Maximilianstraße in der Tradition der mittelalterlichen Via Triumphalis durch die Architekten Gottfried und Stephan Böhm sowie die Neukonzeption des Domplatzes durch Oswald Mathias Ungers.
Das Kölner Architektenduo Böhm erwirkte einen kompletten Rückbau der in der Nachkriegszeit erfolgten autogerechten Anpassung, sodass die zentrale Achse zwischen Dom und Altpörtel nahezu verkehrsfrei wurde. Dabei orientierten sie sich zugleich am historischen Schema des Straßenquerschnitts. Es entstanden breite Bürgersteige mit rosafarbenem Granitpflaster und gestalterisch hervorgehobene Flächen vor wichtigen Hauseingängen, die durch eigens entworfene Beleuchtungen bereichert wurden. Insgesamt zeichnet sich die Umgestaltung durch eine sparsame Möblierung sowie den Verzicht auf Begrünung aus, mit der die historisch strenge Urbanität zum Ausdruck kommen soll.
Landau, Parkhaus (1985–1987)
1986 erfolgte in Landau die Grundsteinlegung zum Parkhaus in der Waffenstraße 14.
Das über rechteckigem Grundriss erbaute Parkhaus zeichnet sich durch seine Integration in das überlieferte Stadtbild aus, die insbesondere durch seine äußere Form und Materialwahl gelungen ist. Die innere tragende Struktur des Parkhauses besteht aus einem Stahlbetonskelett, das unter Verwendung von Fertigteilen in offener Bauweise errichtet wurde. Im deutlichen Kontrast hierzu stehen die vorgehängten Brüstungselemente aus rötlich eingefärbtem Beton, deren Farbigkeit an den roten Pfälzer Sandstein erinnert. Der mit Rankgewächsen begrünte Baukörper besteht aus zwei halbgeschossig gegeneinander versetzten, viergeschossigen Bauteilen, deren stützenfreie Parkebenen mit Halbrampen verbunden sind. Ungewöhnlich ist das zweiteilige, ziegelgedeckte Walmdach, das von einer stählernen Fachwerkkonstruktion getragen wird und in Höhe und Neigung den umliegenden Dächern angepasst ist. Die gesamte Erschließung des Parkhauses verläuft an der Außenhaut des Gebäudes. Auf den Längsseiten verlaufen langgezogene einläufige Außentreppen, die in ihrer Charakteristik an die Rolltreppen des seinerzeit aufsehenerregenden Centre Pompidou in Paris (1971–1977) erinnern. An der Nordost-Ecke befindet sich zudem ein offener, freistehender Aufzugsschacht mit gläsernem Maschinenraum, der einen barrierefreien Zugang ermöglicht und zugleich an einen Campanile denken lässt.
Jockgrim, Verwaltungsgebäude (1990–1993)
Im 19. und 20. Jahrhundert war der südpfälzische Ort Jockgrim Standort der Falzziegelwerke Carl Ludowici, dessen Erzeugnisse noch heute in vielen Regionen der Welt zu sehen sind. Nachdem das Unternehmen in den Nachkriegsjahren noch einmal eine letzte Blütezeit erlebte, war es ab dem Ende der 1950er Jahre aufgrund des abnehmenden Bedarfs an Ziegeln sowie der zu Neige gehenden Tonvorräte einem zunehmenden Niedergang unterworfen. Nach einem Großbrand wurde die Niederlassung in Jockgrim schließlich im Jahr 1972 endgültig aufgegeben.
Nach der Auflösung der Ziegeleimanufaktur bestand das Bemühen, einen Teil des zerstörten Werkes als Ziegeleimuseum zu erhalten. Zeitgleich beschloss die Verbandsgemeinde die Errichtung eines neuen Verwaltungsgebäudes auf dem Gelände, sodass man beide Projekte miteinander verband. Während Prof. Hartmut Hofrichter, Kaiserslautern, mit dem Wiederaufbau der noch vorhandenen, historischen Bausubstanz beauftragt wurde, konnte für die Planung des Verwaltungsgebäudes Gottfried Böhm gewonnen werden, der wie bereits in Speyer seinen ältesten Sohn Stephan in die Planungen mit einbezog.
Für das Museum erstand auf diese Weise der ehemalige Gründerbau der Ziegelei mit Pressenhaus wieder, während man auf den Fundamenten des ehemaligen Ringofens einen Teil des neuen Verwaltungsgebäudes mit Sitzungssaal und Ausstellungsräumen errichtete. Der mit seiner Kubatur sowie der Verwendung von Sandstein- und Ziegelmauerwerk Assoziationen zur Architektur der ehemaligen Ziegelfabrik erwecken soll. Ergänzt wird dieser Bau mit einem weiteren Verwaltungstrakt an der Ostseite des Ringofengebäudes (Ostflügel).
Bad Kreuznach, Kauzenburg, Hofansicht des Neubaus mit Rekonstruktion des ehem. Treppenturmes © GDKE, Landesdenkmalpflege, G. P. Karn
Südostansicht des Neubaus mit erhaltenem Sockel des mittelalterlichen Rundturmes im Osten © GDKE, Landesdenkmalpflege, G. P. Karn
Ostseite, Erker und Balkone © Foto von Elke Wetzig / CC BY-SA 3.0 via wikimedia commons
Überreste spätgotischer Gebäude mit Löwenstatute im Osten der Anlage © GDKE, Landesdenkmalpflege, G. P. Karn
Gottfried Böhm und seine Werke in Rheinland-Pfalz
TEIL 3: Gottfried Böhms postmoderner Umbau der einstigen Burganlage der Grafen von Sponheim
Die Kauzenburg in Bad Kreuznach
von Leonie Köhren
Die auf einem Höhenrücken über dem Nahetal gelegene Kauzenburg erfuhr Anfang der 1970er Jahre einen zeitgemäßen Um- und Ausbau, der bis heute das Stadtbild von Bad Kreuznach prägt und zugleich als signifikanter Wendepunkt in der Architektur Gottfried Böhms gelten kann.
Die vermutlich im 12. Jahrhundert zum Schutz des Flussübergangs durch die Grafen von Sponheim gegründete Burganlage war im Dreißigjährigen Krieg mehrfach beschädigt und im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 durch die Franzosen endgültig zerstört worden. 1803 erwarb Andreas Freiherr von Recum die Ruine auf dem Kauzenberg und ließ an ihrer Stelle einen Wirtschaftshof errichten, der später zur Gaststätte umgebaut wurde.
Als das Gelände 1969 in den Besitz der neugegründeten Kauzenburg-Betriebs-Aktiengesellschaft überging, beabsichtigte man zwar die gastronomische Funktion weiterzuführen, doch die damals nur wenig geschätzte historistische Architektur ließ man letztlich zu Gunsten eines Neubaus vollständig abreißen. Stattdessen erfolgten eine Freilegung der noch vorhandenen Bausubstanz der Burganlage und die Beauftragung des bedeutenden Kölner Architekten Gottfried Böhm, der in Arbeitsgemeinschaft mit dem ortsansässigen Architekten Günter Hartmann eine zeitgemäße Anpassung des Bestandes vornehmen sollte. Auch die Denkmalfachbehörde begrüßte damals die Maßnahme zur Freilegung des noch erhaltenen Teiles der mittelalterlichen Burg und deren Sicherung im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Restaurants.
Auf den Resten der einstigen Ringmauer entstand so ein Neubau als viergeschossige Stahlbetonkonstruktion mit einer Vorhangfassade aus Metall und Glas, die als bewusster Kontrast zu den vorhandenen Resten der mittelalterlichen Burg in Erscheinung treten und gleichermaßen die historische Bausubstanz stärker zur Wirkung bringen sollte. Oberirdisch existierten zu diesem Zeitpunkt nur noch geringe Mauerreste der vormals ausgedehnten Burganlage, insbesondere der Rest eines Treppenturms und die Grundmauern eines großen Rundturmes mit anschließendem Mauerwerk im Osten der Anlage sowie Fragmente von Gebäuden aus spätgotischer Zeit, auf denen Andreas von Recum Anfang des 19. Jahrhunderts eine von Schloss Dhaun stammende Löwenstatue anbrachte. Darüber hinaus hatten sich unterirdisch ausgedehnte Gewölbekeller erhalten, die in zwei Geschossen unter der Burg angelegt worden waren.
Abgesehen von den nördlich aufragenden Mauerresten der Burg, die unverändert an Ort und Stelle belassen wurden, erfolgte eine konsequente Einbeziehung der historischen Substanz in den Neubaukörper. Der erhaltene Sockel des mittelalterlichen Rundturms im Osten wurde mit einer transparenten Stahlkonstruktion versehen und zur Aussichtsterrasse des neuen Restaurants ausgebaut. Auf seiner Hofseite integriert der Neubau außerdem den wiederaufgebauten Treppenturm, der als Aufzugsschacht einer neuen Nutzung zugeführt wurde und alle vier Ebenen des Gebäudes miteinander verbindet. Die ersten drei Geschosse, einschließlich der Keller, sind für den Restaurant- und Gaststättenbereich vorgesehen, während das oberste Geschoss zur Unterbringung von Personalwohnungen dient.
Der in Bruchsteinmauerwerk ausgeführte Turm bildet nicht nur einen vertikalen Akzent, sondern auch einen eindrücklichen Gegensatz zwischen dem traditionellen Bruchstein und den modernen Materialien Metall und Glas. Vor- und zurückspringende Gebäudeteile bewirken darüber hinaus eine plastische Auflockerung der rötlich gefassten Metallfassade, die durch Abschrägung aller Gebäudeecken und Dachkanten zusätzlich differenziert wird. Zur Talseite öffnet sich die über der ehemaligen Ringmauer aufragende Fassade hingegen mit einer strengen Reihung weit auskragender polygonaler Erker und Balkone. Zwei große, in das historische Mauerwerk eingebrachte Thermenfenster kennzeichnen die Räume im Kellergeschoss, die sich hier in der gesamten Höhe ihrer Tonnengewölbe nach außen öffnen. Die vorhandenen Keller, die ebenfalls als Gastronomieräume dienen, wurden weitgehend im vorgefundenen Zustand belassen.
Die Planungen umfassten darüber hinaus auch die Außenraumgestaltung. So wurden auf mehreren Ebenen Terrassen mit polygonalen, bastionsartigen Vorsprüngen angelegt, die Anleihen an der Festungsarchitektur des 17. Jahrhunderts nehmen. Die filigranen Stahlbrüstungen der Terrassen, einst analog zu den Neubauteilen rot gefasst, sind mittlerweile verschwunden, doch ist die grundlegende Struktur der Böhm`schen Außengestaltung noch heute erkennbar.
Insgesamt lässt sich der 1971–1972 erfolgte Ausbau der Kauzenburg als Abkehr des Architekten von seiner brutalistischen Phase in den 1960er Jahren deuten. Statt der expressiven Betonung skulpturaler Werte in der Architektur und dem großflächigen Einsatz von Sichtbeton als Material finden nun filigrane Stahl-Glaskonstruktionen Eingang in die Gestaltung, welche die vorhandene mittelalterliche Substanz zu einem integralen Bestandteil der zeitgenössischen Konzeption machen und sich gleichzeitig gegenüber dem historischen Bestand selbstbewusst behaupten. Die Kauzenburg markiert damit einen wichtigen Wendepunkt im Werk Gottfried Böhms, der einen neuen, postmodernen Ansatz erkennen lässt, der erst in den 1980er Jahren vollends zur Geltung kommen und den der Kölner Architekt einige Jahre später, etwa bei der Neugestaltung des Saarbrücker Schlosses, erproben sollte.
Seit 1981 ist die Kauzenburg mitsamt den Resten der Burg sowie den Aus- und Umbauten Böhms eingetragenes Kulturdenkmal.